GeoUnion

Machen Megastädte krank?

Gesundheitsrisiko Ballungsraum

Straßenszene in der Megastadt Tokyo © Kerstin Fels / MMCD

Giftige Smogglocken, stinkende Müllberge, ungeklärte Abwässer oder verseuchte Böden: die Liste der Gesundheitsrisiken in Megastädten ist lang. Dabei existieren neben der direkten Bedrohung durch die Umweltverschmutzung weitere und häufig unterschätzte Gefahren: moderne Seuchen wie SARS oder möglicherweise zukünftig auch die Vogelgrippe könnten sich hier wegen der hohen Bevölkerungsdichte rasant ausbreiten. Besonders gefährdet sind die Megastädte in den Entwicklungsländern mit einer überforderten Stadtverwaltung und zumeist unzureichender medizinischer Infrastruktur.

{3l}

Die Belastung mit Staub- und Rußpartikeln gehört wohl zu den klassischen Problemen von Megastädten: Millionen von Autos quälen sich Tag für Tag durch die Häuserschluchten und schwängern die Luft mit Blei und Stickoxiden. Ob in Mexiko City, Beijing oder Jakarta – die Abgase bilden regelmäßig eine Dunstglocke über den Städten. Allein in Bangkok sterben jährlich 1.400 Menschen an Atemwegserkrankungen, die unter anderem auf die Staubbelastung zurückgehen. Hinzu kommt das Risiko Verkehrsunfall: Jedes Jahr lassen beispielsweise in Delhi rund 2.000 Menschen ihr Leben auf den Straßen – immerhin ein Drittel der Verkehrstotenzahlen für ganz Deutschland.

Infrastrukturausbau hält nicht Schritt

Doch neben der sprichwörtlich „dicken Luft“ haben die Megastädte vor allem in den Entwicklungsländern mit noch viel größeren Gesundheitsrisiken zu kämpfen. An erster Stelle stehen die mangelhafte Versorgung mit sauberem Trinkwasser und die fehlende Abwasserentsorgung. So besaßen im Jahr 2000 schätzungsweise 400 Millionen Stadtbewohner keine eigene Toilette, was das Risiko von Infektionskrankheiten drastisch steigert. Neben Durchfallerkrankungen breiten sich vor allem Gelbfieber, Malaria und Denguefieber in den letzten Jahren vermehrt in den Megastädten aus – Krankheiten, die früher eher auf dem Land anzutreffen waren.

Schuld an diesen Problemen ist häufig die rasante und unkontrollierte Ausdehnung der Megastädte. So lebt schätzungsweise die Hälfte aller Einwohner in den Entwicklungsländern ohne Anschluss an die öffentliche Infrastruktur. In diesen so genannten „Marginalsiedlungen“ gibt es keinen Strom, keine Kanalisation und keine Müllabfuhr. Wilde Deponien verseuchen sowohl Flüsse als auch das Grundwasser, dienen aber zugleich vielen Menschen als Einkommensquelle. So leben beispielsweise in Kairo rund 100.000 Einwohner vom Müllrecycling und durchsuchen den Abfall nach verwertbaren Resten zum Eigenbedarf oder zum Verkauf. Angesichts des starken Anteils an verseuchtem und giftigem Müll zahlen diese Menschen allerdings einen hohen Preis für ihr Überleben.

MegaCity TaskForce – Hilfe zur Selbsthilfe

Abhilfe schaffen möchte die MegaCity TaskForce der International Geographical Union. Fachwissenschaftler aus aller Welt haben sich zusammengeschlossen, um die dringendsten Probleme der Megastädte zu erforschen und sich untereinander auszutauschen. Unter dem Vorsitz von Frauke Kraas von der Universität zu Köln sind unter anderem Stadtgeographen aus Delhi, Guangzhou, Karachi, London, Mexiko, Pretoria und New York beteiligt. Langfristiges Ziel ist die Weitergabe von Forschungsergebnissen, um die Stadtplanung in den Megastädten zu verbessern. Neben der Lösung der Probleme vor Ort hat diese Kooperation aber auch einen globalen Hintergrund. Denn spätestens seit der Zunahme des internationalen Reiseverkehrs haben die gesundheitlichen Risiken der Entwicklungs- und Schwellenländer auch die Industriestaaten erreicht.

SARS – von der lokalen zur globalen Bedrohung

Straßenszene in der Megastadt Tokyo © Kerstin Fels / MMCD

So geschehen im Jahr 2003, als die Virusinfektion SARS die Welt in Atem hielt. Ausgehend von Hongkong breitete sich die tödliche Lungenkrankheit in Südostasien aus und erreichte innerhalb kürzester Zeit mit dem globalen Flugverkehr auch Nordamerika und Europa. Die meisten der schätzungsweise 8.000 erkrankten Menschen lebten in den Megastädten Singapur, Taipeh und Beijing – rund zehn Prozent starben an den Folgen der Erkrankung. Auch wenn mit drastischen Quarantänemaßnahmen die Eindämmung des hochinfektiösen Virus noch rechtzeitig gelang, führte SARS der Weltöffentlichkeit doch die Verletzbarkeit der Zivilisation dramatisch vor Augen.

Neben SARS hielten in den letzten Jahren das West Nil Virus, Ebola oder zuletzt die Vogelgrippe die Welt in Atem. Begünstigt wird die Ausbreitung der gefährlichen Viren in den Megastädten durch die Konzentration von Millionen Menschen auf engstem Raum. Unzureichende Hygienestandards, die mangelhafte medizinische Versorgung sowie eine zunehmende Umweltbelastung bieten einen idealen Nährboden für die Krankheitserreger. Weit weniger Medieninteresse finden die klassischen Infektionskrankheiten wie Polio oder Hepatitis, obwohl deren Bedrohungspotenzial nicht weniger groß ist. So sterben weltweit jedes Jahr schätzungsweise drei Millionen Menschen an Tuberkulose – Tendenz steigend. Denn Resistenzen lassen diese Erreger zunehmend auch wieder zu einer Gefahr für alle Staaten werden.

Weiterführender Link:

MegaCity TaskForce der IGU

(g-o.de, 18.11.2005 – AHE)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

keine Diaschauen verknüpft

Dossiers zum Thema

Vogelgrippe - Vom Tiervirus zur tödlichen Gefahr für den Menschen

Mega-Cities - Fehlentwicklung oder Modell für das 21. Jahrhundert?

Bücher zum Thema

keine Buchtipps verknüpft

Top-Clicks der Woche