Abiotische Helfer: Die Erdatmosphäre verdankt ihren ersten großen Sauerstoffschub nicht allein den urzeitlichen Blaualgen: Auch bestimmte Minerale trugen entscheidend zur „Großen Oxygenierung“ vor 2,4 Milliarden Jahren bei, wie eine Studie enthüllt. Denn erst diese Minerale verhinderten die schnelle Zersetzung der abgestorbenen Algen. Dies verschob die Balance von Sauerstoffproduktion und -zehrung zugunsten eines Überschusses des Atemgases – und leitete eine neue Ära der Evolution ein.
Vor rund 2,4 Milliarden erlebte die Erdatmosphäre einen fundamentalen Wandel: Die anfangs vorwiegend aus Stickstoff, Wasserdampf und Kohlendioxid bestehende Gashülle unseres Planeten reicherte sich rapide mit Sauerstoff an – einem für uns und die gesamte moderne Tierwelt unverzichtbaren Atemgas. Erst dieses „Great Oxigenation Event“ ermöglichte die Evolution höheren tierischen Lebens.
Gleichgewicht von O2-Produktion und -Abbau
Doch woher kam die urzeitliche Sauerstoffschwemme? Lange galt die Entwicklung der ersten Cyanobakterien als Auslöser für das Große Oxidationsereignis. Inzwischen legen Funde aber nahe, dass Cyanobakterien und andere sauerstoffproduzierende Einzeller schon vor mehr als drei Milliarden Jahren existierten. Warum die Erdatmosphäre erst mit großer Verzögerung darauf reagierte, ist bisher strittig. Einige Hypothesen sehen die verspätete Entwicklung mehrzelliger Blaualgen als Ursache, andere gehen von geochemischen Faktoren aus.
Mingyu Zhao und seine Kollegen von der University of Leeds haben diese geochemischen Faktoren nun näher untersucht. Wie sie erklären, war die Große Oxygenierung nur dann möglich, wenn sich das Gleichgewicht von Sauerstoffproduktion durch Cyanobakterien und Sauerstoffzehrung durch den Abbau der abgestorbenen Algen vor 2,4 Milliarden Jahren deutlich verschoben hat. Denn auf große Algenblüten folgt in der Regel eine Phase intensiver Sauerstoffzehrung im Ozean, weil Mikroben den organischen Kohlenstoff unter Sauerstoffverbrauch zu CO2 oxidieren.
Minerale schützen vor der Zersetzung
An diesem Punkt kommen Minerale ins Spiel: „Wissenschaftler wissen seit vielen Jahren, dass Mineralpartikel sich mit toten Algen und Pflanzenmaterial verbinden können. Diese werden dadurch weniger anfällig für Mikroben und die Zersetzung wird gehemmt“, erklärt Seniorautorin Caroline Peacock. Dabei gelten vor alle eisenhaltige Oxide und Hydroxide als gute Zersetzungshemmer. „Reaktive Eisenphasen fungieren als ‚rostige Senke‘ für organischen Kohlenstoff und bewahren ihn vor der mikrobiellen Remineralisierung“, so das Team.
Während dies für moderne Gewässer-Ökosysteme relativ gut untersucht ist, war bisher unklar, ob solche Minerale auch zum erdgeschichtlichen Umschwung bei der Großen Oxygenierung beigetrageben haben könnten. Das haben die Forschenden daher nun mithilfe eines biogeochemischen Modells der urzeitlichen Stoffkreisläufe rekonstruiert.
Mineralschwemme durch Hebung der Landmassen
Und tatsächlich: Im Modell stieg der Sauerstoffgehalt der simulierten Ur-Atmosphäre erst dann deutlich an, wenn vermehrt eisenhaltige Minerale im Meer präsent waren. „Der Anstieg der Mineralpartikel im Ozean senkte die Abbaurate des Algenmaterials und dies hatte erhebliche Auswirkungen auf die Sauerstoffwerte“, berichtet Zhao. Der Sauerstoffschub vor 2,4 Milliarden Jahren könnte demnach passiert sein, weil sich damals die Landmassen aus dem Meer erhoben und so erstmals viel mineralisches Sediment ins Meer geschwemmt wurde.
„Der Aufstieg der Landmasse vor drei bis 2,3 Milliarden Jahren trug wahrscheinlich beträchtliche Mengen an terrestrischem Material ins Meerwasser ein und damit auch substanzielle Mengen an Eisenverbindungen“, berichten die Forschenden. „Dies passt zeitlich gut zur Großen Oxygenierung vor 2,4 Milliarden Jahren und auch zu den Indizien für kleinere Sauerstoffschübe in der Zeit direkt davor.“ Die Simulation ergab zudem, dass das urzeitliche System auch vorübergehende biologische Krisen besser überstehen konnte, wenn Minerale die Zersetzung organischen Materials bremsten.
Synergie von abiotischen und biotischen Faktoren
Nach Ansicht von Zhao und seinem Team stützen ihre Ergebnisse damit die Annahme, dass die Oxygenierung der Erdatmosphäre nicht allein auf die Entwicklung der Cyanobakterien zurückgeht. Stattdessen waren auch geologische Prozesse wie die Hebung der Kontinente wichtige Treiber dieses entscheidenden Wandels der irdischen Bedingungen. Denn ohne sie hätten selbst massive Blaulagenblüten vermutlich nicht ausgereicht, um eine so starke und schnelle Sauerstoffanreicherung der Atmosphäre zu bewirken.
„Unsere Studie liefert damit neue Informationen darüber, wie die Erdatmosphäre sauerstoffreich wurde und so die Voraussetzungen für die Entwicklung komplexer Lebensformen schuf“, sagt Peacock. Dies gebe auch wertvolle Einblicke in die Voraussetzungen für komplexes Leben auch auf anderen Planeten. (Nature Geoscience, 2023; doi: 10.1038/s41561-023-01133-2)
Quelle: University of Leeds