Geowissen

Mantel-Plumes knacken Kontinente

Aufsteigendes Magma hat genügend Kraft, um gespannte Erdplatten zu zerbrechen

Blick auf den Erta Ale, einen aktiven Vulkan in der Afar-Region. © filippo_jean/ CC-by-sa 2.0 gen

Gewaltige Kraft: Magma-Plumes aus dem Erdinnern können Kontinente bersten lassen. Ihre Kraft reicht aus, um ganze Grabensysteme in die Erdplatten zu reißen – allerdings nur dann, wenn die feste Haut der Erde schon gespannt ist, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten. Dieser Prozess könnte beispielsweise erklären, wie die Afarsenke in Äthiopien entstand, dort treffen sich nicht nur drei Gräben, hier liegt wahrscheinlich auch ein Mantel-Plume.

An einigen Stellen der Erde steigt heißes Magma vom unteren Erdmantel über hunderte von Kilometer säulenartig bis unter die Erdkruste auf. Durch den Widerstand der harten Kruste gebremst, breitet sich der Materialstrom seitlich aus und nimmt die Form eines Pilzes an. Mantel-Plumes oder kurz Plumes nennen Fachleute solche Magmasäulen. Im Laufe der Zeit schmilzt sich das Magma durch die Erdkruste und bildet dann Vulkane – die Inseln von Hawaii, aber auch viele Vulkane Islands verdanken solchen Hotspots ihre Entstehung.

Schon seit längerem vermuten Geologen jedoch, dass solche Magma-Plumes nicht nur Vulkane bilden, sondern sogar ganze Kontinente zerbrechen lassen können. Als Indiz dafür gilt das Danakil-Becken, ein Tiefland im Länderdreieck Äthiopien, Eritrea und Djibouti. Diese als „Triple Junction“ bekannte Stelle ist tektonisch und vulkanisch äußerst aktiv und liegt an einer Gabelung von Gräben, dem Afrikanischem Grabenbruch, dem Roten Meer und dem Golf von Aden.

Reicht die Kraft zum Zerbrechen einer Erdplatte aus?

Gleichzeitig aber liegt unter dem Danakil-Becken wahrscheinlich auch ein Hotspot, der Afar-Plume. Es stellte sich daher die Frage, ob dieser Plume möglicherweise erst die Grabenbrüche in der Erdkruste schuf. Doch weil die Bildung der Gräben geologisch lange Zeit zurückliegt, ließ sich nicht mit letzter Sicherheit bestätigen, ob ein Plume tatsächlich die Kraft hätte, einen Kontinent zu zerbrechen.

In der Afar-Region treffen gleich drei tektonische Gräben aufeinander. © NASA

Evgueni Burov von der Universität Paris VI und Taras Gerya von der ETH Zürich sind einer Lösung dieses geologischen Rätsel nun mit Hilfe eines Computermodells näher gekommen. Die beiden Forscher führten numerische Experimente durch, um die Erdoberfläche oberhalb eines Plumes dreidimensional und hochaufgelöst darzustellen. In den Simulationen ließen die Forscher Plumes auf eine entspannte Platte treffen. Dabei kam es nicht zu einem Bruch, stattdessen sich lediglich ein kreisrunder Hügel. Modellierten die Geophysiker jedoch den gleichen Vorgang mit einer Platte, die unter schwacher Spannung stand, so brach sie auseinander und es bildete sich ein Riss- und Grabensystem wie es auch in natura anzutreffen ist.

„Wie eine durchbohrte Plastikfolie“

Demnach haben die aus dem Erdinneren aufsteigenden Magmaströme durchaus die Kraft, Kontinente zu zerbrechen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die betroffene Erdplatte bereits unter einer schwachen Spannung steht. „Der Vorgang ist vergleichbar mit einer gespannten Plastikfolie. Eine kleine punktförmige Kraft reicht und die Folie reißt ein. Ist die Folie hingegen entspannt, kann man sie kaum einreißen, erklärt Gerya. Dieser Mechanismus sei schon früher als mögliches Erklärungsmodell für das Auseinanderbrechen von Kontinenten vorgeschlagen worden, habe aber bisher nicht plausibel erklärt werden können.

Die Simulationen zeigen auch, dass dieses Aufbrechen einer Platte nach geologischen Maßstäben rasend schnell gehen kann: Es dauert nur zwei Millionen Jahre, bis sich Grabensysteme von mehreren Kilometern Tiefe und mehr als tausend Kilometer Länge bilden. Die Vorgänge sind damit bis zu zehn Mal schneller als tektonische Prozesse wie Subduktion und 50 Mal schneller als beispielsweise die Alpenfaltung.

Modell des Mantel-Plumes unter Hawaii: Der Aufstieg besonders heißen Magmas ließ die Vulkaninseln entstehen. © gemeinfrei

Plumes noch immer umstritten

Allerdings: Die Existenz von Mantel-Plumes ist umstritten. „Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass es sie nicht gibt“, sagt dazu Gerya. Wie so oft in der Geologie, insbesondere aber bei der Erforschung des Innenlebens der Erde, lassen sich weder solche Vorgänge noch die Existenz der Plumes direkt beobachten. Auch entziehen sich die langen Zeiträume, in denen sich geologische Prozesse abspielen, der Alltagserfahrung des Menschen. „Das einzige, was wir beobachten können, sind die Auswirkungen, welche die Plumes auf die Erdoberfläche und auf das Vorankommen von seismischen Wellen im Erdinnern haben“, so der Geoforscher.

Deshalb sei man auf gute realistische Modelle angewiesen, welche die Prozesse im Zeitraffer durchspielen. In das Modell der Plume-Kontinentalplatte-Wechselwirkung eingeflossen sind beispielsweise physikalische Gesetze, Materialeigenschaften der Erdkruste wie auch Temperatur- und Druckverhältnisse. „Die Spielregeln sind uns klar. In der Regel besitzt der Mensch aber nicht genug Intuition, um zu erkennen, wie diese miteinander wechselwirken“, konstatiert Gerya. (Nature, 2014; doi: 10.1038/nature13703)

(Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), 05.09.2014 – NPO)

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