Wind statt Wasser? Einige der vermeintlich flusstypischen Landschaftsformen auf dem Mars könnten mehr von der Winderosion als durch urzeitliches Wasser geprägt worden sein. Darauf deutet nun eine Vergleichsstudie von US-Geologen hin. Lässt man den Wind außer Acht, kann dies Annahmen zur Geschichte einiger Marslandschaften aber auch anderer Planeten verfälschen, warnen die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Auf dem Mars finden sich viele tief eingekerbte Schluchten und ganze Deltas aus verzweigten, ausgetrockneten Flussläufen. Zwar scheint inzwischen klar, dass der Rote Planet in seiner Frühzeit reichlich Wasser und sogar einen ganzen Ozean besaß. Dennoch geben einige Landschaftsformen Rätsel auf. So erscheinen einige Canyons zu groß und tief, um allein vom Wasser ausgekerbt worden zu sein.
Zu tief für eine Sturzflut?
„In Kasei Valles beispielsweise müssten die Sturzfluten, die die dortigen Canyons formten, um zwei Größenordnungen heftiger gewesen sein als alle bekannten Megafluten auf der Erde“, berichten Jonathan Perkins von der University of California in Santa Cruz und seine Kollegen. Hinzu kommt, dass die nasse Phase des Roten Planeten nicht sonderlich lange anhielt. Denn das Wasser verschwand wahrscheinlich bereits vor rund drei Milliarden Jahren. Den weitaus größten Teil seiner Geschichte war der Mars damit trocken und vor allem windig.
Um zu untersuchen, wie stark und auf welche Weise diese Winde alte Flussläufe und andere Wasserspuren auf dem Mars verändert haben könnten, nahmen die Forscher ein irdisches Beispiel zu Hilfe. Denn im Nordosten Chiles gibt es ein Gebiet auf der Westseite der Anden, in dem die Wirkung der Winderosion auf alte Flussläufe wie in einem Freilandlabor abzulesen ist.
Das vier Milliarden Jahre alte Gestein bildet hier eine bis zu 150 Meter hohe Abbruchkante, in die sich rund 46 Flusstäler mehr oder weniger tief eingekerbt haben. Einige dieser Canyons sind dem vorherrschenden Nordwestwind ungeschützt ausgesetzt und bekamen die Winderosion daher in vollem Maße zu spüren, andere sind vor ihm abgeschirmt und daher seit ihrer Entstehung durch Flüsse kaum verändert.
Achtung Falle!
Wie die Geologen feststellten, kann der Wind im Laufe der Zeit einen Flusscanyon durchaus erheblich verändern. Er kann ihn um das Zehnfache vertiefen oder erweitern. „Hinzu kommt, dass die Richtung, in der Sediment vom Wind durch die Canyons geweht wird, nicht immer mit der Fließrichtung des früheren Wassers übereinstimmen muss“, so die Forscher. „Die heutigen Schluchtformen repräsentieren damit nicht immer die fluvialen Prozesse, die sie einst schufen.“ Das aber könne die Interpretation solcher Landschaftsformen erschweren und sogar verfälschen.
Nach Ansicht der Forscher ist daher Vorsicht geboten, wenn man anhand der Landschaftsformen auf dem Mars oder anderen Planeten Rückschlüsse auf ihre Vergangenheit ziehen will. Vor allem Vermutungen über die Wassermenge oder die Dauer der Wassererosion könnten deutlich danebenliegen, wenn man den Wind außer Acht lässt. (Nature Geoscience, 2015; doi: 10.1038/ngeo2381)
(Nature, 10.03.2015 – NPO)