Wasserdampf aus dem Magmaozean
Dem jedoch widersprechen nun Kevin Cannon und seine Kollegen von der Brown University. Sie haben in Laborexperimenten und Computermodellen herausgefunden, dass die Phyllosilikate auch auf ganz andere Weise entstanden sein können: durch Wasserdampf. Dieser könnte in der Anfangszeit des Planeten die Marsatmosphäre vorübergehend in ein wahres Dampfbad verwandelt haben.

Für das "Dampfbad" spricht die weite Verbreitung der Tonminerale gerade in alter Marskruste © Kevin Cannon
Das Szenario beginnt in der Zeit, als der Magmaozean des jungen Planeten Mars allmählich abkühlte und erstarrte. „Dabei gasten zuvor gelöstes Wasser und Kohlendioxid aus und bildeten eine dichte, superkritische Wasserdampf-Atmosphäre“, berichten die Forscher. Der mehrere Millionen Jahre lang anhaltende Kontakt mit dem Dampf löste dann im Basaltgestein der Marskruste die chemischen Reaktionen aus, die die Tonminerale schufen.
Marsgestein im Dampfkochtopf
Cannon und seine Kollegen haben dieses Szenario mit Laborexperimenten und einem Computermodell überprüft. Für ersteres synthetisierten sie zunächst Gesteinsproben, deren chemische Zusammensetzung der des marsianischen Basalt entsprach. Diese Proben setzten sie dann zwei Wochen lang in einer Art Dampfkochtopf den Bedingungen aus, wie sie auf dem jungen Mars geherrscht haben könnten.
Das Ergebnis: Schon in dieser kurzen Zeit waren in den Basaltproben Tonminerale entstanden. Strukturanalysen belegten, dass dabei Minerale gebildet wurden, die Vorstufen der auf dem Mars existierenden darstellen. „Es war erstaunlich wie schnell und umfassend der Basalt verändert wurde“, sagt Cannon. „Dies belegt, dass die Bedingungen am Übergang von Marskruste zu Dampfatmosphäre den Basalt sehr effizient zu Tonmineralen verwittern konnten.“

Einschläge von Meteoriten könntne die Tonmierale freigelegt haben. in dieser Falschfarbenaufnahme sind sie als bläuliche Zonen in einem Krater und einem Tal zu erkennen. © NASA/JPL-Caltech/ JHUAPL
Freigelegt durch Meteoriten
Wie die Computersimulation der Forscher ergab, könnte auf dem jungen Mars durch ein solches „Dampfbad“ eine bis zu drei Kilometer dicke Tonmineral-Schicht entstanden sein. Später wurde der größte Teil dieser ursprünglichen Marskruste durch Vulkanausbrüche und verwittertes Gesteinsmaterial überdeckt. Die Einschläge größerer Meteoriten legten jedoch an vielen Stellen die Tonschicht wieder frei.
„Eine solche primordiale, durch Einschläge freigelegte Tonschicht könnte die heutige fleckige Verteilung der marsianischen Tonminerale gut erklären“, sagen die Wissenschaftler. „Auch die Häufung dieser Minerale in den Hellas-, Argyre- und Isidis-Becken passt gut dazu.“ Auch der Nachweis von Phyllosilikaten in einigen Wandbereichen der Valles Marineris sei durch einen solchen nachträglichen Transport erklärbar.
„Plausible Erklärung“
„Damit wollen wir nicht ausschließen, dass einige Tonminerale nicht auch durch andere Mechanismen entstanden sein können“, betont Cannons Kollege Jack Mustard. „Auch oberflächliche Verwitterung und andere Prozesse haben sich sicherlich während der Marsgeschichte abgespielt. Wir halten unser Szenario aber für einen plausiblen Weg, um die große Menge und Verbreitung des Tons in den ältesten Krustenteilen des Mars zu erklären.“
Tatsächlich sind Cannon und seine Kollegen nicht die ersten, die eine Bildung der marsianischen Tonmineralen auch ohne die Präsenz von Gewässern postulieren: Bereits 2012 wiesen Forscher nach, dass solche Schichtsilikate auch in wasserhaltiger Lava bei Vulkanausbrüchen entstanden sein könnten.
Beweis durch nächsten Marsrover?
Ob der Mars tatsächlich „nasse“ Eruptionen oder gar ein urzeitliches Dampfbad erlebte, könnte sich sogar relativ bald nachweisen lassen: „Ich bin optimistisch, dass wir mit einer vom Mars zurückgebrachten Probe oder sogar mit dem Analysegeräten eines Rovers unterschieden können, ob die Tonminerale durch diesen primordialen Prozess oder aber andere Mechanismen entstanden sein“, sagt Cannons Kollege Steve Parman.
Den entscheidenden Test könnte vielleicht schon der NASA-Rover Mars 2020 durchführen. Er soll erstmals auch tiefere Bohrkerne auf dem Mars gewinnen und diese in einem Depot zwischenlagern. Eine Folgemission könnte dann diese Proben zurück zur Erde bringen. „Je nachdem, wo dieser Rover landen wird, könnten wir durch ihn die richtigen Proben für diese Fragestellung bekommen“, meint Mustard. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature24657)
(Brown University, 07.12.2017 – NPO)
7. Dezember 2017