Der Meeresspiegel steigt nicht immer gleichmäßig: Am Ende der letzten Eiszeit wurde der gleichmäßige, allmähliche Anstieg der Ozeane gleich zwei Mal unterbrochen: In Sprüngen dehnten sich damals die Meere gleich um zweieinhalb Meter pro Jahrhundert aus. Diese jetzt in „Global and Planetary Change” veröffentlichte Erkenntnis ermöglicht auch neue Einblicke in die heutige Reaktion der Ozeane auf die Klimaerwärmung.
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Vor rund 16.000 Jahren endete die letzte Eiszeit, das große Tauen begann. Als die gewaltigen Eisdecken, die Nordamerika und Europa bedeckten, sich langsam zurückzogen, gaben sie große Mengen an Schmelzwasser frei, das sich in Flüsse und auch das Meer ergoss. Dadurch stieg der Meeresspiegel in der Zeit von vor 16.000 bis 6.000 Jahren um insgesamt 120 Meter an, durchschnittlich um einen Meter pro Jahrhundert.
Erste Hinweise aus regionalen Daten
Schon früher hatten regionale Beobachtungen angedeutet, dass der allmähliche Meeresspiegelanstieg durch Phasen abrupter, schnellerer Sprünge unterbrochen worden sein könnte, die die Ozeane bis zu fünf Meter pro Jahrhundert ansteigen ließen. Diese Schätzungen basierten unter anderem auf der Verteilung von fossilen Korallen in der Nähe von Barbados sowie Spuren der Küstenüberflutung entlang des Sunda-Schelfs in Ostasien. Doch Datierungsunsicherheiten und individuelle Eigenheiten dieser regionalen Beobachtungen machten es bisher schwer, daraus einen globalen Trend abzuleiten.
Globale Daten statistisch überprüft
Wissenschaftler des britischen National Oceanography Centre (NOC) in Southampton haben genau dies jedoch nun erreicht. Für ihre Studie sammelten die Forscher 400 als sehr verlässlich geltende Meeresspiegelmarker aus der ganzen Welt und konzentrierten sich dabei auf Orte, die weit von potenziell verfälschenden Einflüssen entfernt lagen.
„Statt uns auf Daten einzelner Orte zu verlassen, die nicht repräsentativ sein könnten, haben wir große Datenmengen aus unterschiedlichen Orten verglichen und dabei auch alle möglichen Quellen von Unsicherheiten mit berücksichtigt“, erklärt Eelco Rohling vom National Oceanography Centre (NOC). Mit Hilfe einer ganzen Reihe von statistischen Tests und Modellen rekonstruierten die Forscher die globale Entwicklung des Meeresspiegels der letzten 21.000 Jahre mit einem hohen Maß an statistischer Genauigkeit.
Zwei Sprünge im Meeresspiegelanstieg
Die Ergebnisse zeigen, dass es tatsächlich mindestens zwei Perioden nach der letzten Eiszeit gegeben hat, in denen die Meeresspiegel sprunghaft anstiegen: eine vor 15.000 bis 13.000 Jahren und die zweite vor 11.000 bis 9.000 Jahren. Der erste Sprung trifft dabei zeitlich zusammen mit dem Beginn einer Periode starker globaler Erwärmung, der so genannten Bølling-Allerød-Periode. Der zweite Sprung ereignete sich kurz nach dem Ende der Kälteperiode des Jüngeren Dryas, die die Bølling-Allerød-Periode abrupt beendete.
„Unsere Einschätzungen der Raten des Meeresspiegelanstiegs liegen etwas niedriger als die aus den einzelnen Studienorten ermittelten, aber sie sind dafür statisch robust“, erklärt Jennifer Stanford von der Universität von Southampton. „Sie verbessern daher unser Verständnis darüber, wie schnell und wie viel Eis durch das Abschmelzen der Eisdecken am Ende der letzten Eiszeit verloren ging.“ Die neuen Ergebnisse werden nun unter anderem dazu eingesetzt die Modelle des Klimasystems zu verfeinern. Damit tragen sie auch dazu bei, die Prognosen der zukünftigen Entwicklung der Ozeane weiter zu verbessern und zu präzisieren.
(National Oceanography Centre, Southampton (UK), 06.12.2010 – NPO)