Trotz verstärkter Klimaschutzmaßnahmen werden die Meeresspiegel in den nächsten 50 Jahren weiter ansteigen. Das zeigt die erste Langzeitprognose für die globalen Pegel. Bis zum Jahr 2300 könntne die Pegel demnach rund 2,7 Meter über dem Niveau des Jahres 2000 erreichen – und dies selbst dann, wenn die globale Erwärmung auf nur zwei Grad begrenzt wird. Bis zum Jahr 2100 wären es immerhin bereits 80 Zentimeter. „Weil die Eis- und Wassermassen der Welt sehr langsam auf die globale Erwärmung reagieren, bestimmen unsere heutigen Emissionen den Meeresspiegel noch für die kommenden Jahrhunderte“, sagt Erstautor Michiel Schaeffer vom Forschungsinstitut Climate Analytics in Berlin. Man müsse daher noch lange Zeit mit steigenden Wasserpegeln an den Küsten rechnen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“.
Verringern ließe sich der Meeresspiegel-Anstieg nur, wenn es gelänge, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagen die Wissenschaftler. Dann würden die Pegel bis 2300 um etwa 1,5 Meter ansteigen – nur gut halb so viel wie bei zwei Grad. Ein Klimaschutzziel von nur 1,5 Grad mehr als vor der industriellen Revolution ist allerdings ist nach Ansicht der meisten Klimaforscher kaum mehr zu schaffen. Für realistischer halten viele eine Erwärmung um zwei bis drei Grad. Stiegen die weltweiten Temperaturen aber um drei Grad, wäre bis 2300 mit einem Meeresspiegelanstieg von sogar durchschnittlich 3,5 Metern zu rechnen, das zeigen die neuen Berechnungen.
Für ihre Prognosen hatten Schaeffer und seine Kollegen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Universität Wageningen in den Niederlanden und der Aalto-Universität in Finnland Klimamodelle mit Messwerten des Meeresspiegelanstiegs der letzten tausend Jahre verknüpft. Dies nutzten sie, um erstmals Langzeit-Prognosen für die Pegel bis zum Jahr 2300 zu ermittelten.
Die neuen Berechnungen zeigen, dass sich auch das Tempo des Meeresspiegelanstiegs mit höheren Temperaturen beschleunigen wird. Erwärme sich das Klima um zwei Grad, steige der Pegel in Zukunft doppelt so schnell wie heute. „Die Menschen an den Küsten haben weniger Zeit sich anzupassen, wenn der Meeresspiegel schneller ansteigt“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Ko-Autor der Studie.
Schwerwiegende Folgen vor allem für Ostküste der USA
Die möglichen Folgen eines relativ schnellen Anstiegs wären erheblich. „Für New York City zum Beispiel wurde gezeigt, dass ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter die Häufigkeit schwerer Überflutungen von einmal pro Jahrhundert auf einmal alle drei Jahre steigern könnte“, sagt Rahmstorf. Auch niedrig liegende Länder und Regionen mit ausgedehnten Flussdeltas wie in Bangladesch sowie kleine Inselstaaten wären wahrscheinlich erheblich betroffen.
Dass die dicht besiedelte Ostküste der USA besonders vom Meeresspiegelanstieg gefährdet ist, zeigt eine zeitgleich in „Nature Climate Change“ erschienene Studie US-amerikanischer Forscher. Sie stellten fest, dass die Pegel dort drei bis viermal schneller und stärker ansteigen als im weltweiten Durchschnitt. Betroffen davon sind unter anderem die großen Ballungsräume Washington, New York und Boston. (doi:10.1038/nclimate1584)
(Nature Climate Change, 25.06.2012 – NPO)