Folgenreiche Verlagerung: Die großen Strömungswirbel der Weltmeere verlagern sich polwärts – im Schnitt um 800 Meter pro Jahr, wie Satellitendaten zeigen. Dies beeinflusst die Lage großer Meeresströmungen wie den Golfstrom, aber auch den atmosphärischen Jetstream und die Bahnen von Stürmen. Ursache dieser Verschiebung ist vor allem der Klimawandel, wie Forscher mithilfe von ergänzenden Modellen ermittelten.
Die großen Meeresströmungen spielen eine Schlüsselrolle für unser Klima, aber auch die Meeresumwelt. Angetrieben von großen „Umwälzpumpen“ wie im Nordatlantik sorgen acht große Strömungswirbel – drei im Atlantik, drei im Pazifik und jeweils einer im Indischen und im Südozean – für eine globale Zirkulation. Diese rotierenden Strömungssysteme bestimmen maßgeblich das Wetter und die marine Produktivität in den Küstenregionen unseres Planeten.
Doch der Klimawandel hinterlässt längst auch im fein austarierten Strömungssystem der Ozeane seine Spuren. So gibt es erste Indizien dafür, dass sich die Umwälzpumpe im Nordatlantik abschwächt und verschiebt, gleichzeitig treiben zunehmende Winde die Ozeanzirkulation an.
Verschiebung um 800 Meter pro Jahr
Eine weitere Veränderung haben nun Hu Yang vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und seine Kollegen identifiziert. Sie untersuchten, wie sich der Klimawandel auf die acht großen Strömungswirbel der Weltmeere auswirkt. Dafür werteten sie zunächst Satellitendaten der Meeresoberflächentemperatur von 1982 bis 2018 und der Meereshöhe von 1992 bis 2018 aus.
Das Ergebnis: Die großen Strömungssysteme der Ozeane haben sich in den zurückliegenden 40 Jahren mit hohem Tempo Richtung Pol verschoben. Pro Jahr verlagern sich die Strömungswirbel demnach um rund 800 Meter in Richtung der Pole. „Auf der Südhalbkugel sind diese Veränderungen besonders deutlich zu sehen“, berichtet Yang. „Auf der Nordhalbkugel dagegen beeinflussen Faktoren wie die Lage der Kontinente und die Meereisentwicklung in der Arktis den Strömungsverlauf.“
Besonders deutlich macht sich die Verschiebung an den östlichen und westlichen Randströmen der großen Ozeanwirbel bemerkbar. Diese Strömungsbereiche ziehen sich die Küsten der Kontinente entlang und sind daher für das Wetter und beispielsweise die Fischerei entscheidend.
Klimawandel als Ursache identifiziert
Was aber ist die Ursache für diese Verschiebung? Um das herauszufinden, simulierten die Forscher in einem Klima-Ozean-Modell die Entwicklung der Strömungssysteme sowohl unter präindustriellen Treibhausgas- und Klimabedingungen wie auch unter doppeltem CO2-Gehalt der Atmosphäre. Dadurch konnten sie unterscheiden, welche Veränderungen durch die Erderwärmung hervorgerufen wurden und welche durch natürliche Schwankungen.
Die Analysen ergaben, dass die Verschiebung der Strömungssysteme kein rein natürliches Phänomen ist, sondern eine Folge des Klimawandels. Treibende Kraft für die Strömungsverlagerung sind dabei die großen Windströmungen, die sich ebenfalls verschoben haben. „Wir sehen sowohl in verschiedenen Beobachtungsdaten als auch in unseren Modelläufen, dass sich die Winde, welche die Meeresströmungen antreiben, polwärts verlagern“, berichtet Yangs Kollege Gerrit Lohmann.
Gravierende Folgen für Mensch und Meeresumwelt
Die Folgen der Verschiebung sind sowohl für die Natur als auch den Menschen weitreichend: „Mit den westlichen Randströmen verschieben sich zum Beispiel die Pfade der Winterstürme und des Jetstream“, erklärt Yang. „In den Randbereichen der östlichen Randströme beobachten wir, dass die reichhaltigen Ökosysteme schrumpfen, weil sich durch die Strömungsverlagerung die Lebensbedingungen für die Meeresbewohner zu schnell ändern.“ An diesen östlichen Randströmen liegen die nährstoffreichen Auftriebsgebiete der Ozeane, wichtige „Speisekammern“ der Meere.
Gravierende Temperaturveränderungen gab es bisher unter anderem an der Nordostküste der USA im Golf von Maine, wo durch die Verlagerung des Golfstroms die Kabeljaubestände abwanderten. Ähnliche Beobachtungen machten Wissenschaftler auch vor der Ostküste Uruguays und Argentiniens, wo sich der Brasilstrom allmählich Richtung Süden verschiebt. Die Verlagerung der großen subtropischen Ozeanwirbel führt dazu, dass sich die nährstoffarmen Meeresregionen ausweiten und die Produktivität der Weltmeere insgesamt abnimmt.
Wo Randströme in höhere Breiten vorstoßen, steigt zudem der lokale Meeresspiegel überdurchschnittlich. Ein Problem, mit dem sich vor allem die Menschen an der Ostküste Nordamerikas konfrontiert sehen. Nach Ansicht der Forscher könnte die Verlagerung der großen Strömungsringe den Anfang eines grundlegenden Wandels der Weltmeere darstellen. (Geophysical Research Letters, 2020; doi: 10.1029/2019GL085868)
Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung