Erdgeschichte

Mega-El Niños verschärften Perm-Massenaussterben

Enorme Klimaschwankungen erklären Ablauf der Perm-Krise vor 252 Millionen Jahren

Fossil
Dieses versteinerte Muster zeugt von extremer Trockenheit im Vorfeld des Perm-Massenaussterbens vor 252 Millionen Jahren. Doch was löste diese Dürre aus? © Paul Wignall/ University of Leeds

Klimakapriolen im Megamaßstab: Beim schlimmsten Massenaussterben der Erdgeschichte vor 252 Millionen Jahren könnte das Klimaphänomen El Niño eine entscheidende Rolle gespielt haben. Denn neue Analysen von Fossilfunden legen nahe, dass es damals Jahrzehnte dauernde Mega-El Niños gab. Diese lösten Wetterextreme aus, die schon zehntausende Jahre vor dem Höhepunkt der Perm-Krise viele Organismen ausrotteten, wie Forschende in „Science“ berichten. Dies könnte auch einige bislang offenen Fragen zum Perm-Massenaussterben klären.

Vor rund 252 Millionen Jahren, am Ende des Perm-Zeitalters hätte die Erde fast ihre gesamte Lebenswelt verloren: Innerhalb von wenigen zehntausend Jahren löste eine fatale Kaskade von Vulkanausbrüchen im sibirischen Trapp, Treibhausgas-Emissionen und umkippenden Meeren ein Massenaussterben aus, dem mehr als 80 Prozent aller Meeresbewohner zum Opfer fielen. An Land führten die Klimakapriolen sowie gewaltige Feuerstürme zum Aussterben von drei Vierteln aller Landtiere.

Landmassen im Perm
Verteilung der Landmassen am Ende des Perm-Zeitalters. © Alex Farnsworth/ University of Bristol und Yadong Sun/ China University of Geosciences

Diskrepanzen im Timing

Das Merkwürdige jedoch: Viele Tier- und Pflanzenarten starben schon Jahrtausende vor dem Höhepunkt der vulkanismusbedingten Erwärmung und Ozeanversauerung aus. „Es gibt eine klare Diskrepanz im Timing der marinen und terrestrischen Artenverluste mit den postulierten Aussterbe-Mechanismen“, erklären Yadong Sun von der chinesischen Universität für Geowissenschaften in Wuhan und seine Kollegen. „Und keiner dieser Prozesse kann das Ausmaß, die räumliche Heterogenität oder die asynchrone Natur der Krise am Ende des Perm vollständig erklären.“

Auf der Suche nach dem noch fehlenden Puzzlestück, schauten sich Sun und seine Kollegen ein Phänomen an, das auch heute noch für Klimakapriolen sorgt: der El Niño. Dieser treibt die Meerestemperaturen im tropischen Pazifik in die Höhe, verändert die großräumigen Luftströmungen und verursacht Dürren und Hitzewellen oder aber Starkregen in den Regionen rund um den Pazifik. Ein starker El Niño heizt aber auch das Klima weltweit auf und verstärkt Wetterextreme, wie jüngst das Jahr 2023 demonstrierte.

Temperaturen während der Perm-Krise
Mittlere Oberflächentemperatur vor Beginn der Krise am Ende des Perm (links) und auf ihrem Höhepunkt. Haupttreiber der Erwärmung waren die Vulkanausbrüche im Sibirischen Trapp. © Alex Farnsworth/ University of Bristol und Yadong Sun/ China University of Geosciences

Klimakapriolen auf der Spur

Könnte es ein ähnliches Phänomen auch am Ende des Perm gegeben haben? „Steigende Treibhausgaskonzentrationen erwärmen nicht nur den Planeten insgesamt, sie vergrößern auch die Schwankungen des Wetters und Klimas“, erklärt Koautor Alexander Farnsworth von der University of Bristol. Auch der El Niño kann dadurch häufiger, heftiger und länger anhaltender werden. Die Forscher haben daher die Bedingungen rund um den Superkontinent Pangäa vor, während und nach dem Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren in einem Modell rekonstruiert.

Es zeigte sich: Schon rund 40.000 Jahre vor dem Höhepunkt der Perm-Krise gab es auffällige Veränderungen der Meerestemperaturen: Der normale Temperaturgradient zwischen gemäßigten und tropischen Meeresregionen verschwand immer wieder über längere Zeiträume hinweg, wie Isotopenanalysen von marinen Fossilien aus jener Zeit ergaben. „Im Prinzip wurde es überall zu heiß“, erklärt Farnsworth. Gleichzeitig veränderten sich die großräumigen Luftströmungen und Wetterextreme nahmen auch an Land zu – wie bei einem El Niño.

El Niño im Megamaßstab

Der entscheidende Unterschied jedoch: „Heute dauern El-Niño-Ereignisse nur ein bis zwei Jahre. Aber am Ende des Perm hielten die El Niños mehr als eine Dekade an“, berichtet Farnsworth. „Dadurch kam es an Land zu einer jahrzehntelangen Dürre, gefolgt von sintflutartigen Regenfällen.“ Die lange Dauer der Klimaschwankungen führten dazu, dass die Temperaturen an Land und im Meer deutlich stärker anstiegen als bei heutigen El- Niño-Ereignissen, auch die Wetterextreme fielen intensiver aus – es waren Mega-El-Niños.

Für die Lebenswelt im späten Perm hatte dies katastrophalen Folgen: Die Kombination von Klimaerwärmung und Mega-El-Niño brachte die Vegetation auf dem Superkontinent Pangäa an ihre Belastungsgrenzen. „Die Arten waren einfach nicht dafür ausgerüstet, sich an diese extremen Veränderungen und Wechsel zu gewöhnen oder anzupassen“, erklärt Farnsworth. Durch die langen Dürreperioden trockneten die zuvor üppigen Wald- und Feuchtgebiete aus und ausgedehnte Waldbrände grassierten.

Feuer, Dürren und verschwindende Wälder

Zwar wuchs die Vegetation Pangäas in den nassen Perioden zwischen den Mega-El-Niños teilweise nach. Dabei verschob sich das Artenspektrum allerdings hin zu schnellwachsenden, kurzlebigen Pflanzen, die die langen Dürreperioden mittels Sporen oder Wurzeln überdauern konnten. Bäume und andere langsam wachsende Pflanzen waren dagegen im Nachteil. „Dies führte letztlich zu einem Aussterben der Regenwaldpflanzen“, berichten die Forschenden.

TEufelskreis
Teufelskreis: Wie Vulkanausbrüche, Klimaerwärmung, Mega-El-Niños und ihren Folgen sich durch positive Rückkopplung verstärkten. © Alex Farnsworth/ University of Bristol und Yadong Sun/ China University of Geosciences

Die Folge war eine großräumige Entwaldung: „Unsere Simulationen zeigen, dass die südliche Laubwald-Taiga als erste betroffen war“, so das Team. Diese Wälder verlagerten sich immer weiter polwärts und lichteten sich im Laufe von rund 25.000 Jahren um fast die Hälfte. Dann folgte auch in den Tropen und gemäßigten Zonen der Nordhalbkugel eine sukzessive Entwaldung. Dadurch fehlte nun ein wichtiger Puffer für die durch die Vulkanausbrüche in Sibirien immer weiter steigenden CO-Werte – und die Erwärmung beschleunigte sich noch weiter.

Das einst fruchtbare Pangäa war jetzt in weiten Teilen eine karge Steppe mit mächtigen, von den Waldbränden hinterlassenen Asche- und Kohleschichten. Viele Tiere des Superkontinents verloren damit ihre Lebensgrundlage und auch sie starben aus.

Überhitzung auch im Meer

Das Szenario der Mega-El-Niños könnte auch erklären, warum das Massensterben im Meer etwas später einsetzte: „An Land trieben die Mega-El-Niños die Temperaturen so schnell in die Höhe, dass dies die thermischen Toleranzgrenzen der meisten Spezies zu rapide überschritt, sie konnten sich nicht rechtzeitig anpassen“, erklärt Sun. Im Ozean bremste die trägere Reaktion der Wassermassen die Entwicklung etwas, aber auch dort zeigten sich die Spuren der wilden Klimafluktuationen, wie Fossilfunde belegen.

Die ersten Opfer der Mega-El-Niños den Ozeanen waren demnach Plankton-Organismen wie die Radiolarien, die ebenfalls schon zehntausende Jahre vor dem Haupt-Massensterben drastisch zurückgingen und aus vielen Meeresgebieten ganz verschwanden. Wenig später folgten dann Korallenriffe und andere riffbauende Organismen. „Die Krise am Ende des Perm löschte nicht nur alle paläozoischen Korallen aus, sondern auch metazoische Riffe aller Arten – dies führte zu einer der prominentesten Rifflücken der Erdgeschichte“, schreiben die Forschen.

Die marinen Hitzewellen, verbunden mit der zunehmenden Versauerung der Meere und dem Sauerstoffschwund mündete schließlich in dem katastrophalen Verschwinden von rund 80 Prozent aller Meeresorganismen.

Planet im Krisenmodus

„Die Erde war im Krisenmodus: Das Land brannte und die Ozeane stagnierten“, beschreibt Koautor David Bond von der University of Hull den Zustand am Ende des Perm-Zeitalters. Für die meisten Organismen bedeutete dies das Ende – aber glücklicherweise nicht für alle. „Es war fast das Ende des irdischen Lebens, aber nicht ganz“, sagt Sun. Letztlich erholte sich die Lebenswelt der Erde auch von diesem schlimmsten Massenaussterben seiner Geschichte und brachte neue, fortgeschrittenere Lebewesen hervor. (Science, 2024; doi: 10.1126/science.ado2030)

Quelle: Science, University of Bristol

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