Es klingt paradox, ist aber eine reale Möglichkeit: Die globale Klimaerwärmung könnte dazu führen, dass das Risiko für Frostschäden bei Pflanzen zunimmt. Der Grund: Ungewöhnliche Wärmeperioden im Spätwinter „locken“ die Pflanzen verfrüht aus der Winterruhe und machen sie so empfindlicher für einen dann einsetzenden normalen Winterfrost.
Lianhong Gu, Forscher am Oak Ridge National Laboratory der USA und Kollegen von der NASA, der Universität von Missouri und der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) haben analysiert, wie sich die Klimaveränderung im Frühjahr auf die Pflanzenwelt und vor allem die Landwirtschaft auswirkt. In ihrer in der Fachzeitschrift „BioScience“ veröffentlichten Studie kommen sie dabei zu einem alarmierenden und auf den ersten Blick paradoxen Ergebnis: Die globale Erwärmung könnte mehr Frostschäden bei Pflanzen nach sich ziehen.
Klimaschwankungen nehmen zu
Denn, so die Autoren, der Klimawandel bringt nicht nur eine allgemeine Erwärmung, auch die Fluktuationen des Klimas nehmen deutlich zu. Im Spätwinter und Frühjahr bedeutet dies, dass sich zukünftig häufig Perioden von ungewöhnlich warmem Wetter mit Kältephasen abwechseln. Genau diese raschen Wechsel sind jedoch für viele Pflanzen fatal, denn normalerweise benötigen sie eine Zeit der Akklimatisation, bevor sie eine Frostperiode überstehen können. In dieser Zeit lagern sie beispielsweise vermehrt Zucker oder Frostschutzmoleküle in ihren Zellen und Geweben ein, um ein Einfrieren zu vermeiden.
Wenn jedoch eine Wärmeperiode früh im Jahr diese Winteranpassung unterbricht, verlieren viele Pflanzen ihren Frostschutz. Schwenkt dann das Wetter plötzlich wieder um, sind sie der Kälte schutzlos ausgesetzt. Das geschah beispielsweise im April 2007, als ein Frosteinbruch nach einer zweiwöchigen Wärmeperiode zu schwerwiegenden Folgen im Südosten der USA führte. Blätter, Keimlinge, Blüten und Jungpflanzen wurden so geschädigt, dass es sogar zu Ernteausfällen im folgenden Sommer kam.
Ökologische Folgen langfristig
Wie die Studie zeigt, wirken sich diese ungewöhnlichen Klimaschwankungen sogar noch bis ins Jahr 2008 hinein aus: Denn das geringe Wachstum der Pflanzen nach diesem frühen Rückschlag verringert die Menge an organischem Material, dass im Herbst und Winter abgebaut und für die Vegetation wieder verfügbar gemacht wird. Auch die Wildtiere haben dadurch in diesem Winter stellenweise an Nahrungsmangel gelitten. Im Extremfall könne, so die Forscher, sich die gesamte Architektur einer Vegetation längerfristig verändern.
Extreme künftig Normalität
Doch die steigenden Konzentrationen von Kohlendioxid in der Atmosphäre verändern nicht nur das Klima, sie wirken auch direkt auf die Vegetation. So zeigte sich, dass einige Pflanzenarten bei erhöhtem CO2-Gehalt ihre Widerstandsfähigkeit gegen Frost verlieren oder zumindest nur noch in reduziertem Maße behalten.
Nach Ansicht von Gu und seinen Kollegen müssen solche Klimaschwankungen zukünftig nicht als isoliertes, ungewöhnliches Ereignis angesehen werden, sondern als Teil des Klimawandels. Die Wechsel zwischen den Extremen werden in Zukunft normal. Wie sich Vegetation und Landwirtschaft daran am besten anpassen können, müssen weitere Studien nun zeigen.
(American Institute of Biological Sciences, 03.03.2008 – NPO)