Obwohl der kalte Winter vermuten lassen könnte, der Klimawandel habe ausgesetzt, zeigen langfristige Temperaturmessungen deutlich, dass der Trend zur Erwärmung in Deutschland ungebrochen ist. Wie sich der Klimawandel künftig auf regionaler Ebene auswirken könnte, zeigt ab heute der Regionale Klimaatlas Deutschland. Ab sofort stehen Klimaszenarien für die deutschen Bundesländer online unter www.regionaler-klimaatlas.de für jedermann zur Verfügung.
{1r}
„Der Nutzer kann dabei verschiedene Klimaelemente wie beispielsweise Temperatur, Niederschlag und Wind auswählen und sich mögliche künftige Änderungen zu unterschiedlichen Jahreszeiten in verschiedenen Bundesländern anzeigen lassen“, erklärt Hans Schipper vom Süddeutschen Klimabüro am Karlsruher Institut für Technologie. „Der Klimaatlas richtet sich an die interessierte Öffentlichkeit sowie an Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft. Für Wissenschaftler steht alternativ eine Darstellung für Modellnutzer zur Verfügung.“
Klimawandel nicht überall gleich
„Die Helmholtz-Gemeinschaft hat die Klimaforschung deutlich verstärkt und untersucht in der Klimainitiative REKLIM insbesondere die regionalen Auswirkungen des globalen Klimawandels. Die vier Regionalen Klimabüros haben dabei den Auftrag, den aktuellen Stand der Forschung für unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen so aufzubereiten, dass diese gut informiert Entscheidungen treffen können. Dies ist mit dem nun öffentlich einsehbaren Regionalen Klimaatlas gelungen“, sagt Professor Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft.
Mehr Niederschläge in Schleswig-Holstein
Auch wenn es in Zukunft in ganz Deutschland wärmer wird, so können sich die Klimaveränderungen im Jahresdurchschnitt bis zum Jahr 2100 regional sehr unterschiedlich ausprägen. So scheint beispielsweise die zu erwartende Erwärmung im Jahresdurchschnitt bis Ende des 21. Jahrhunderts in Baden Württemberg mit 2,2 bis 6,3°C am stärksten zu sein.
In Schleswig-Holstein hingegen kann die Erwärmung mit 2 bis 4,4° C zwar vergleichsweise schwächer ausfallen, jedoch weisen die Klimarechnungen darauf hin, dass die Einwohner dort mit der bundesweit höchsten Niederschlagszunahme im Jahresdurchschnitt rechnen müssen. Die mitteldeutschen Bundesländer Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt befinden sich nicht nur geographisch in der Mitte Deutschlands, sondern auch hinsichtlich der zu erwartenden Klimaänderungen.
„Dies gibt jedoch keinen Anlass zur Entwarnung, da auch ein mittlerer zukünftiger Niederschlagsrückgang im Sommer bei der heute schon angespannten Lage zu großen Herausforderungen zum Beispiel in der Landwirtschaft führen wird.“, so Andreas Marx, Leiter des Mitteldeutschen Klimabüros am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ.
Kalte Winter werden seltener
Der Erwärmungstrend wird sich nach den Erkenntnissen der Forscher auch in der kalten Jahreszeit bis zum Ende des Jahrhunderts in ganz Deutschland fortsetzen. Im Rahmen natürlicher Schwankungen kann es zwar auch in Zukunft kalte Winter geben, diese werden jedoch seltener.
Die Klimarechnungen weisen außerdem auf eine flächendeckende Zunahme des Winterniederschlages hin. Wegen der höheren Temperaturen wird dieser jedoch wahrscheinlich größtenteils in Form von Regen fallen. Am stärksten können die Winterniederschläge bis Ende des Jahrhunderts in Bayern – bis zu 75 Prozent – und in Mecklenburg-Vorpommern – bis zu 63 Prozent – zunehmen. Zusätzlich werden sich vermutlich bis Ende des Jahrhunderts bundesweit die Sturmstärken erhöhen. Am stärksten betroffen ist nach Angaben der Wissenschaftler auch hier Mecklenburg-Vorpommern, wo sich Stürme um bis zu 13 Prozent intensivieren können.
„Ein Sturmtief, wie beispielsweise das Tief Daisy, welches im Januar an der deutschen Ostseeküste zum Teil schwere Sturmfluten und starken Seegang hervorgerufen hat, könnte bis Ende des Jahrhunderts noch um zehn bis 15 Stundenkilometer stärker ausfallen.“, so Insa Meinke, Leiterin des Norddeutschen Klimabüro am GKSS-Forschungszentrums Geesthacht.
Baden-Württemberg am schlimmsten betroffen
Im Sommer ist bis Ende des Jahrhunderts bundesweit mit der stärksten Erwärmung zu rechnen. Parallel können sommerliche Niederschläge und Windgeschwindigkeiten innerhalb dieses Jahrhunderts in allen Bundesländern deutlich abnehmen. Es zeichnet sich nach Angaben der Klimaforscher ab, dass sich dieser Trend am stärksten in Baden-Württemberg vollzieht. Hier kann je nach Entwicklung der Treibhausgasemissionen die sommerliche Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts zwischen 2,7 und 8,9°C liegen.
Der Sommerniederschlag wird in diesem Bundesland vermutlich zwischen 18 und 51 Prozent abnehmen. Geringere Windgeschwindigkeiten können die Belastung von Mensch und Umwelt durch sommerliche Hitze zusätzlich weiter verstärken. „Bereits jetzt wird beobachtet, dass wärmeliebende Arten zunehmen, darunter auch Krankheitsüberträger wie Zecken, die in immer höheren Lagen aufgefunden werden. Andererseits werden sich die Wintersportgebiete in den Mittelgebirgen, dem Schwarzwald und den tieferen Lagen der Alpen daran anpassen müssen, dass gute Wintersportbedingungen seltener werden“, so Hans Schipper vom Süddeutschen Klimabüro am Karlsruher Institut für Technologie.
Regionaler Klimaatlas Deutschland: Entstehung und Weiterentwicklung
Der Regionale Klimaatlas Deutschland ist ein gemeinsames Produkt der Regionalen Klimabüros in der Helmholtz-Gemeinschaft und wird fortlaufend aktualisiert und weiterentwickelt. Grundlage sind für Deutschland verfügbare Klimarechnungen, die mit dynamischen regionalen Klimarechenmodellen durchgeführt wurden. Hierzu zählen bisher: COSMO-CLM, das gemeinschaftliche regionale Klimarechenmodell von über 30 internationalen Forschungseinrichtungen, sowie REMO, das regionale Klimarechenmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und das regionale Klimarechenmodell des Schwedischen Wetterdienstes, RCAO.
In die regionalen Klimarechenmodelle sind jeweils Szenarien unterschiedlicher Treibhausgaskonzentrationen eingegangen, die vom UN-Weltklimarat IPCC erstellt wurden. Bisher sind insgesamt zwölf verschiedene Klimarechnungen im Klimaatlas berücksichtigt. Die räumliche Auflösung der einzelnen Klimarechnungen liegt derzeit zwischen 50 und zehn Kilometern. Die Auswertung ist für jedes Bundesland gebietsmittelweise erfolgt.
(Helmholtz-Gemeinschaft/Karlsruher Institut für Technologie, 26.02.2010 – DLO)