Menschlicher Einfluss hat den Stickstoffkreislauf unseres Planeten so stark verändert wie nichts anderes in den letzten zweieinhalb Milliarden Jahren. Eine in „Science“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Stickstoffeinträge aus Landwirtschaft und Industrie die Austauschprozesse zwischen Böden, Ozean und Atmosphäre zu Beginn des 20. Jahrhunderts irreversibel auf ein neues Niveau angehoben haben. Einige ökologische Folgen könnten zwar durch Anpassung im Laufe der Zeit wieder ausgeglichen werden, der Wandel des Kreislaufs ist jedoch irreversibel.
Der Stickstoffkreislauf auf unserem Planeten existiert bereits seit Milliarden von Jahren. Zunächst geprägt durch den Austausch stickstoffhaltiger Gase zwischen Erde und Atmosphäre bei Vulkanausbrüchen und Blitzeinschlägen, trat er vor rund zweieinhalb Milliarden Jahren in eine zweite, biologische Phase ein. Der durch die Photosynthese der ersten Algen immer höher werdende Sauerstoffgehalt der Luft eröffnete ganz neue Reaktionsmöglichkeiten und auch die noch junge Lebenswelt der Erde spielte nun eine immer größere Rolle im Kreislauf dieses Elements.
Die ersten einzelligen Lebewesen begannen, stickstoffhaltige Verbindungen aus der Luft in komplexere, biologisch nutzbare Moleküle umzuwandeln. Denn Stickstoff ist ein wichtiger Baustein von Proteinen, DNA und RNA und damit essenziell für Wachstum und Vermehrung. Bis heute bildet diese vorwiegend durch Bodenbakterien durchgeführte Stickstofffixierung einen Grundstein für die Fruchtbarkeit von Böden und das Pflanzenwachstum. Weitere Reaktionen und Rückkopplungsschleifen ergänzen diesen Vorgang durch ein dichtes Netz an Austauschprozessen zwischen Böden, Atmosphäre und Ozeanen.
Irreversibler Wandel zu neuer Phase
Doch seit Beginn des 20. Jahrhunderts scheint dieser seit Jahrmilliarden bestehende Kreislauf aus den Fugen geraten, wie jetzt eine Studie von Wissenschaftlern eines amerikanisch-dänischen Forscherteams zeigt. Durch den menschlichen Einfluss hat sich die Rate der Stickstofffixierung und die Menge der biologisch nutzbaren Stickstoffverbindungen vervielfacht. Ihrer Ansicht nach ist der Stickstoffkreislauf dadurch bereits irreversibel eine weitere, dritte Phase seiner Geschichte eingetreten.
„Zusammengenommen tragen menschliche Aktivitäten doppelt so viel zur terrestrischen Stickstofffixierung bei wie natürliche Quellen und sie liefern rund 45 Prozent der gesamten Jahresproduktion der biologisch nutzbaren Stickstoffverbindungen“, erklärt Paul Falkowski von der Rutgers Universität. „Kein anderes Phänomen hat den Stickstoffkreislauf in den letzten zweieinhalb Milliarden Jahren so stark beeinflusst wie der menschliche Eintrag von Stickstoff.“
Nährstoffüberangebot verändert Gleichgewichte
Ein Großteil der Stickstoffeinträge in die Ökosysteme stammt dabei aus der zwischen 1960 und 2000 um 800 Prozent gestiegenen Verwendung von Stickstoffdünger in der Landwirtschaft. Der Dünger ist dabei so ineffektiv, dass 60 Prozent seines Stickstoffgehalts nicht von den Pflanzen aufgenommen wird, sondern in den Boden sickert und mit dem Wasser in Grundwasser, Bäche, Flüsse und letztlich das Meer gelangt.
Hier führt das Nährstoffüberangebot zu Algenblüten, einer steigenden Sauerstoffzehrung und letztlich sogar zum Entstehen von so genannten Toten Zonen, sauerstofffreien Bereichen am Meeresboden, in denen so gut wie kein tierisches Leben mehr existiert. Damit nicht genug, verstärkt das menschengemachte Überangebot die Freisetzung von Stickoxiden in die Atmosphäre. Hier trägt das Gas mit der rund 300-fachen Treibhauswirkung des Kohlendioxids zur globalen Erwärmung bei und fördert zudem noch die Zerstörung der Ozonschicht.
Gleichgewicht auf neuem Niveau
Im Laufe der Zeit könnte sich der Stickstoffkreislauf allerdings auf einem neuen Niveau einpendeln und ein Teil der schädlichen Wirkungen dadurch nachlassen, so die Ansicht der Forscher: „Natürliche Feedbackmechanismen, angetrieben von Mikroorganismen, werden höchstwahrscheinlich nach einigen Dekaden einen neuen, stabilen Zustand erzeugen“, so Falkowski. „In diesem neuen Gleichgewicht wird der überschüssige, vom Menschen eingebrachte Stickstoff ungefähr mit der gleichen Rate wieder abgebaut, mit er zugefügt wird, es akkumuliert dann nicht mehr weiter.“
Doch bis es so weit ist, wird die menschliche Bevölkerung die sieben Milliarden-Grenze erreicht haben und damit den Druck auf die natürlichen Ökosysteme durch die Nahrungsproduktion weiter erhöhen. „Es gibt keine Möglichkeit, so viele Menschen zu ernähren, ohne große Mengen Stickstoffs aus der Atmosphäre zu binden“, so der Forscher.
Entlastung der Ökosysteme möglich
Doch an der bisher sehr ineffektiven Art, wie dieser Stickstoffdünger eingesetzt wird, lässt sich seiner Ansicht nach sehr wohl etwas ändern. So könnten eine durchgehende, systematische Fruchtfolge, die Optimierung von Zeit und Menge des Düngereinsatzes oder auch gezielte Pflanzenzüchtungen den Druck auf die Ökosysteme und den Stickstoffkreislauf verringern.
Aber selbst wenn dies bald geschieht: Die Veränderung des Stickstoffkreislaufs, das neue Einpendeln des Gleichgewichts auf höherem Niveau, ist höchstwahrscheinlich irreversibel. Nur die Folgen für die Natur können durch Handeln verringert werden. „Selbst mit solchen Maßnahmen wird sich der zukünftige Stickstoffkreislauf sehr wahrscheinlich von dem unterscheiden, der vor der industriellen Revolution existierte“, so Falkowski abschließend in seinem Artikel.
(National Science Foundation / Science, 12.10.2010 – NPO)