Doppelt so tief wie der Grand Canyon: Auf dem Merkur haben Forscher ein gewaltiges Tal entdeckt, das alle irdischen Landschaftsformen in den Schatten stellt. Es ist tausend Kilometer lang und bis zu zwei Kilometer tief. Einzigartig aber ist dieses „Große Tal“ des Merkur durch seine Bildung: Es entstand durch die Schrumpfung des Planeten, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten.
Merkur ist ein echter Sonderling: Der sonnennächste Planet ist kleiner, dichter und älter als alle anderen im Sonnensystem. Außerdem rotiert er schneller als gedacht, seine Oberfläche ist seltsam dunkel und noch dazu wird er immer kleiner: Der Planet schrumpft. Dadurch bilden sich bis heute neue Stauchungsfalten auf seiner Oberfläche.
1.00 Kilometer lang, zwei Kilometer tief
Eine beeindruckende Folge dieser planetaren Schrumpfung haben nun Thomas Watters von der Smithsonian Institution in Washington und seine Kollegen entdeckt. In Daten der MESSENGER-Raumsonde der NASA stießen sie auf eine bisher übersehene Landschaftsform – ein gigantisches Tal auf der Südhalbkugel des Merkur.
Dieses Tal ist rund 1.000 Kilometer lang und bis zu 470 Kilometer breit. Es beginnt in Rembrandt-Becken, einer urzeitlichen Einschlagssenke und läuft dann sich aufweitend weit über den Kraterrand hinaus. Die Talsohle liegt zwei Kilometer tiefer als die umgebende Merkuroberfläche. Gesäumt wird das Tal von zwei hoch aufgetürmten Verwerfungen, die stellenweise bis zu drei Kilometer über dem Talgrund aufragen.
„Nichts Vergleichbares auf der Erde“
„Dies ist wirklich ein gewaltiges Tal“, sagt Koautor Laurent Montesi von der University of Maryland. „Auf der Erde gibt es keine geologische Formation, die dieser Größenordnung nahekommt.“ Selbst der Grand Canyon in den USA erscheint eher schmächtig dagegen, denn das Riesental auf dem Merkur ist doppelt so tief und um ein Vielfaches breiter.
Die beiden fast parallelen Ränder des Tals bestehen aus steil aufragenden geologischen Verwerfungen. Sie gehören zu den Stauchungsfalten, die durch die Schrumpfung des Planeten entstanden sind, wie die Forscher berichten. Während sie sich auftürmten, sackte der Grund zwischen ihnen ab.
Durch Schrumpfung eingesackt
Ebenso einmalig wie seine Größe ist die Entstehung dieses Tals: „Im Gegensatz zum Ostafrikanischen Grabenbruch wurde das Große Tal des Merkur nicht durch auseinanderweichende Lithosphärenplatten erschaffen“, sagt Watters. Denn im Gegensatz zur Erde besitzt der Merkur keine Plattentektonik und auch keine driftenden Kontinente.
Stattdessen entstand das Tal durch die Schrumpfung des Planeten. Als der Planet vor gut drei Millionen Jahren deutlich abkühlte, zog sich seine Kruste zusammen und faltete sich auf. Zwischen diesen Falten sackte der Untergrund ein und bildete eine Senke – ähnlich wie die Dellen, die sich nach dem Trocknen von Weintrauben auf den Rosinen bilden.
„Diese Art der Deformation auf dem Merkur ist anders als alles, was wir von der Erde kennen“, sagt Watters. „Es ist der erste Beleg für eine so großräumige Stauchung auf einem Planeten.“ Der Merkur hat es demnach – wieder einmal – geschafft, die Planetenforscher zu überraschen.
(Geophysical Research Letters, 2016; doi: 10.1002/2016GL070205)
(American Geophysical Union/ University of Maryland, 21.11.2016 – NPO)