Einzigartige Herkunft: Ein in Ägypten gefundener Meteorit könnte in Teilen älter sein unser Sonnensystem. Denn der kieselsteingroße Brocken enthält Material, das anders ist als alles bisher bekannte, wie neue Analysen enthüllen. Dazu gehören metallische Aluminiumkörnchen, exotische Minerale sowie Kohlenwasserstoffe, die für den interstellaren Staub typisch sind. Zumindest einige dieser Komponenten könnten aus der Zeit vor Entstehung unseres Sonnensystems stammen.
Auf den ersten Blick gleicht der 1996 in Ägypten gefundene „Hypatia“‚-Stein einem kleinen dunklen Kiesel. Doch bereits vor einigen Jahren enthüllten Isotopen- Analysen, dass dieser Brocken extraterrestrischen Ursprungs sein muss. Seltsam nur: Die Zusammensetzung des Hypatia-Steins passt weder zu einem der bekannten Meteoriten-Arten noch zu einem Kometen. Woher dieser kosmische Brocken stammt, blieb daher bisher rätselhaft.
Extrem viel Kohlenstoff
Jetzt jedoch könnten Jan Kramers von der University of the Witwatersrand und seine Kollegen das Rätsel des Hypatia-Steins gelöst haben. Sie haben den mysteriösen Brocken und seine Mineralzusammensetzung erneut mit modernsten Analysemethoden untersucht. Schon die ersten Ergebnisse bestätigten die ungewöhnliche Komposition des nach der antiken Mathematikerin Hypatia benannten Steins.
Demnach sind in diesem Brocken zwei Grundmassen unregelmäßig miteinander gemischt. Die erste Matrix besteht fast ausschließlich aus Kohlenstoffverbindungen – schon das ist ungewöhnlich: „Bei chondritischen Meteoriten erwarten wir viel Silizium und eine kleine Menge Kohlenstoff“, erklärt Kramers. „Aber Hypatias Matrix besitzt einen enormen Anteil von Kohlenstoff und ungewöhnlich wenig Silizium.“ Die zweite Matrix enthält dagegen zahlreiche Mineraleinschlüsse.
Kohlenwasserstoffe und Aluminium-Nuggets
Sowohl die kohlenstoffhaltige Grundsubstanz als auch die Mineral-Einschlüsse sind extrem ungewöhnlich. „Die Matrix enthält eine große Menge polyaromatischer Kohlenwasserstoffe (PAKs), wie sie in dieser Form bisher vor allem aus dem interstellaren Staub bekannt sind“, berichtet Kramers. Doch diesen Staub gibt es nur außerhalb unseres Sonnensystems oder aber er müsste aus der Zeit vor dessen Entstehung stammen.
Auch die Mineraleinschlüsse überraschten – vor allem durch einige chemische Elemente: „Das Aluminium liegt darin in rein metallischer Form vor – nicht als chemische Verbindung mit anderen Elementen“, berichtet Koautor Georgy Belyanin von der University of Johannesburg. „Doch normalerweise kommt Gold in solchen metallischen Nuggets vor, Aluminium aber niemals.“ Das Vorkommen metallischen Aluminiums sei im Sonnensystem extrem selten.
Exotische Mineralien
Ebenfalls ungewöhnlich: In den Hypatia-Einschlüssen fanden die Forscher Körnchen eines aus viel Nickel und Phosphor und wenig Eisen zusammengesetzten Minerals. „Dieses Elementverhältnis ist völlig anders als alles, was wir vom Planeten Erde kennen oder aus bekannten Arten von Meteoriten“, betont Belyanin. „Diese Einschlüsse sind bisher in unserem Sonnensystem einzigartig.“
Auch einige weitere Einschlüsse erwiesen sich als nicht alltäglich: „Wir haben Carborund und Silber-Iod-Phosphid-Körnchen gefunden, die ebenfalls in höchst ungewöhnlicher Form vorlagen“, berichtet Belyanin. „Diese Körnchen sind die ersten dieser Art, die wir in einem Gestein gefunden haben, ohne dass wir zuerst das umgebende Material mit Säure auflösen mussten.“
Wie aber ist diese Häufung ungewöhnlicher Komponenten zu erklären? „Als Hypatia sich als extraterrestrisch entpuppte, war das schon eine Sensation“, sagt Kramers‘ Kollege Marco Andreoli. „Aber unsere neuesten Ergebnisse werfen nun noch größere Fragen über seinen Ursprung auf.“
Älter als das Sonnensystem
Nach Ansicht der Forscher spricht einiges dafür, dass der Hypatia-Stein Material enthält, das älter ist als unser Sonnensystem. „Wir gehen davon aus, dass die Nickel-Phosphor-Eisen-Körnchen sich präsolar gebildet haben müssen“, sagt Kramers. „Sie sind in ihrer Zusammensetzung unserem Sonnensystem völlig fremd, können aber nicht nachträglich durch Kollisionsschocks oder ähnliches entstanden sein.“
Ob dagegen auch die Matrix des Hypatia-Steins vor Entstehung des Sonnensystems gebildet wurde, bleibt vorerst unklar. „Wahrscheinlich war dies aber nicht der Fall, weil man dafür eine dichte Staubwolke wie in der Akkretionsscheibe um die Sonne benötigt“, meint Belyanin. Die Matrix des Brockens ist daher vermutlich erst entstanden, als dieser dichte Urnebel existierte.
Die ungewöhnliche Chemie von Hypatias Grundsubstanz spricht dann jedoch dafür, dass dieser Urnebel lokal sehr verschiedene Staubsorten enthielt, wie die Forscher erklären. „Das weckt Zweifel an der allgemein akzeptierten Vorstellung von der Bildung unseres Sonnensystems“, so Kramers. (Geochimica et Cosmochimica Acta, 2018; doi: 10.1016/j.gca.2017.12.020)
(University of Johannesburg, 17.01.2018 – NPO)