Vom Winde verweht: Mikroplastik verschmutzt nicht nur Böden, Gewässer und Meere, die winzigen Kunststoffpartikel werden auch durch die Luft verbreitet, wie nun eine Studie belegt. In einer entlegenen Bergregion der Pyrenäen regnete es demnach mehr als 350 Mikroplastik-Partikel pro Tag und Quadratmeter. Diese Kontamination trat auf, obwohl keine großen Städte oder Industrieanlagen in der Nähe waren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Mikroplastik ist längst überall: Die winzigen Kunststoffpartikel und -fasern schwimmen in Flüssen, Seen und Meeren, sie verschmutzen das Eis der Arktis und Antarktis und finden sich auch schon in Salz, Getränken und Honig. Sogar in unserem eigenen Kot haben Wissenschaftler inzwischen Mikroplastik nachgewiesen. In einigen Großstädten wie Paris und dem chinesischen Dongguan trägt das Mikroplastik bereits zur Luftverschmutzung bei.
Erstaunlich starkes Mikroplastik-Fallout
Doch ob und wie weit sich Mikroplastik-Partikel auch über die Atmosphäre ausbreiten, ist bisher kaum untersucht. Steve Allen von der Universität Toulouse und sein Team haben deshalb ein entlegenes Pyrenäen-Gebiet in Südwest-Frankreich als Probenort gewählt. Dort gibt es weder große Städte in der Nähe, noch Industrieanlagen. Um den Plastik-„Fallout“ zu messen, installierten sie mehrere Partikelfallen und Regenwasserfilter, die sie im Winter 2017/2018 fünf Monate lang auswerteten.
Das überraschende Ergebnis: Trotz der entlegenen Lage sammelten sich erhebliche Mengen an Mikroplastik in den Probenfallen an. Im Schnitt regnete es 365 Partikel pro Tag und Quadratmeter. „Diese Mengen sind vergleichbar mit der zuvor berichteten atmosphärischen Ablagerung in den Megacities Paris und Dongguan“, berichten die Forscher. „Und das obwohl diese bergige und entlegene Region weit von jeder Stadt entfernt liegt.“
Plastik ist auch außerhalb der Städte in der Luft
„Damit liefert unsere Studie ein erstes Indiz dafür, dass Mikroplastik auch außerhalb der Städte in der Atmosphäre vorhanden ist und als Fallout niedergeht“, sagen Allen und seine Kollegen. Wie dieses Mikroplastik in die Atmosphäre gelangt ist, bleibt bislang unklar. Die Forscher vermuten jedoch, dass vor allem die mechanische Erosion, beispielsweise der Abrieb von Autoreifen, eine wichtige Rolle spielt, aber auch der UV-bedingte Zerfall von Plastikmaterialien wie beispielsweise Dämmstoffen.
Die Analysen ergaben, dass vor allem Partikel aus Polystyrol und Polyethylen mit der Luft in die Berge geweht wurden. Polystyrol wird vor allem in aufgeschäumter Form als Dämmstoff oder Verpackung verwendet, Polyethylen ist gängiger Rohstoff für Plastikfolien, -flaschen oder auch Plastiktüten. Eine weitere Komponente des abgelagerten Mikroplastiks waren Kunststoffasern – vornehmlich aus Polypropylen und PET.
Konkrete Quellen noch unklar
Doch woher stammt das Mikroplastik, das über den Pyrenäen niedergeht? Das haben die Wissenschaftler mithilfe eines gängigen physikalischen Modells zur atmosphärischen Ausbreitung zurückverfolgt. „Die Daten sprechen dafür, dass die Quelle des Mikroplastiks mindestens 95 Kilometer von der Probenstelle entfernt liegen muss“, berichten Allen und sein Team. In diesem Umkreis gibt es jedoch keinerlei größere Städte oder Industrieanlagen.
Die Forscher vermuten daher, dass das Mikroplastik über deutlich größere Entfernungen durch die Luft transportiert wurde. Mögliche Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte und viel Industrie wären Toulouse oder die südlich liegenden spanischen Städte Saragossa und Barcelona. Ob die Plastikpartikel von dort stammen, müsste jedoch durch weitere Probennahmen und Analysen geprüft werden, wie die Wissenschaftler erklären.
„Das muss weiter untersucht werden“
Klar scheint damit, dass Mikroplastik längst nicht mehr nur ein Problem der Gewässer und Böden ist. Auch unsere Atmosphäre ist offenkundig zunehmend mit Mikroplastik kontaminiert. „Diese Daten sind meines Erachtens etwas Neues“, kommentiert Hartmut Herrman vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung in Leipzig. „Wie das Mikroplastik in die Atmosphäre kommt, ist eine interessante Frage, die untersucht werden muss.“ (Nature Geoscience., 2019; doi: 10.1038/s41561-019-0335-5)
Quelle: Nature