Geowissen

Mikrorisse fördern Erdbeben

Spannungsveränderungen im Gestein verhindern Entlastungsbrüche

Einen Einblick in die Rolle des im Gestein vorhandenen Wassers für die Entstehung von Erdbeben haben jetzt neue Forschungen britischer Wissenschaftler ergeben. Wie sie in der Zeitschrift „Nature“ berichten, lenken Mikrorisse im Gestein Spannungen um und verhindern so eine Entlastung des Drucks, beispielsweise durch größere Brüche oder Wasseraustritt. Als Folge steigt die Erdbebenwahrscheinlichkeit.

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Wissenschaftler um Dan Faulkner von der Universität von Liverpool untersuchten eine ausgedehnte Verwerfung in der Atacama-Wüste im Norden Chiles. Hier maßen sie die Dichte von so genannten „Mikrorissen“ im Gestein. Durch die Bewegungen des Untergrunds entlang der Plattengrenze bilden sich Spannungen im Gestein und diese lassen feine Risse entstehen. Normalerweise sammelt sich Wasser in diesen Rissen und zwischen den verschiedenen Gesteinsbereichen der Verwerfung. Mit wachsender Spannung im Gestein steigt auch der Druck dieser Flüssigkeit. Dies wiederum kann das Risiko eines Erdbebens erhöhen. Meist jedoch bricht das Gestein auf, bevor dies geschieht, das Wasser tritt aus und der Druck nimmt dadurch wieder ab.

Loma Prieta: Starkes Beben trotz relativ geringer Spannung

„Das Problem in der Vorhersage von Erdbeben ist, dass wir so wenig darüber wissen, wie Verwerfungen funktionieren“, erklärt Faulkner. „Über die Jahre hinweg haben wir herausgefunden, dass selbst geringe Spannungen, die auf die Erdkrustenplatten einwirken, schon große Beben auslösen können. Ein Beispiel ist das Loma Prieta Beben von 1989. Es erzeugte massive Verwüstungen, obwohl es vorher nur sehr wenig auf die Plattengrenze wirkende Spannungen gab.“

Die britischen Forscher untersuchten jetzt genauer, warum dieser Entlastungsmechanismus nicht immer funktioniert und wollten herausfinden, welche Faktoren entscheiden, wann das Wasser austreten kann und wann nicht. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf die Mikrorisse im Gestein. Unter Laborbedingungen setzten sie dieses wechselnden Drücken aus, um zu beobachten, wie die Risse die Reaktion des Material veränderten.

Mikrorisse verhindern Entlastungsbrüche

Es zeigte sich, dass die Mikrorisse die Elastizität des Gestein deutlich veränderten. Spannungslinien, die normalerweise in rechtem Winkel zur Verwerfung wirken würden, wurden durch die Risse abgelenkt und verliefen stattdessen in einem Winkel von 45 Grad. Wenn dies jedoch geschieht, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Gestein nachgibt und bricht und das unter Druck stehende Wasser kann nicht austreten. Die Folge: Eine Entlastung findet nicht statt, so dass die Erdbebenwahrscheinlichkeit weiterhin hoch bleibt.

“In der Theorie werden sehr starke Spannungen benötigt, um das Gestein entlang einer Verwerfung zu verschieben, aber wenn unter Druck stehendes Wasser oder Gas dazwischen kommt, wirkt es wie ein Schmiermittel und erleichtert eine Bewegung zwischen den Platten – und damit auch ein Erdbeben“, erklärt Faulkner. „Bisher war das Problem an dieser Theorie, dass das Gestein unter so hohen Wasserdrucken eigentlich brechen müsste und damit der Schmiermitteleffekt wieder aufgehoben wird. Unsere jetzige Studie jedoch zeigt, dass viele kleine Risse um die Verwerfung herum die Spannungen im Gestein so verändern können, dass größere Brüche, die dem Wasser einen Ausweg liefern könnten, weniger wahrscheinlich werden.“

Woher das Porenwasser und die Gase in solchen Verwerfungen stammen, muss allerdings noch in weiteren Untersuchungen erforscht werden. Zurzeit führen Faulkner und amerikanische Kollegen in Probenstellen entlang der San Andreas Verwerfung in Kalifornien Bohrungen durch, die dazu beitragen sollen, die Mechanik der Verwerfungszonen und die Erdbebenentstehung besser zu verstehen.

(University of Liverpool, 14.12.2006 – NPO)

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