Vor mehr als 50 Jahren erlangte Stanley Miller mit seinen Experimenten zur Bildung organischer Moleküle in der „Ursuppe” Weltruhm. Jetzt haben Forscher Proben seiner damaligen Versuche wiederentdeckt, neu analysiert und dabei Erstaunliches festgestellt: In ihnen finden sich deutlich mehr und verschiedenartigere Aminosäuren, als damals bekannt war. Dieses jetzt in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentliche Ergebnis stützt die Theorie, nach der Schwefelwasserstoff aus Untersee-Vulkanen Rohstoffe und günstige Bedingungen die ersten Lebensbausteine geliefert haben könnten.
Der US-Chemiker Stanley Miller führte in den 1950er Jahren gemeinsam mit seinem Kollegen Harold Urey Experimente durch, in denen er ausprobierte, wie unter den Bedingungen der frühen Erde organische Moleküle entstanden sein könnten. In seinem berühmten Ansatz mischte der Forscher in einem Versuchsbehälter verschiedene Gase wie Methan, Ammoniak, Wasserdampf und Wasserstoff als Nachbildung der Uratmosphäre und simulierte Blitzschläge durch elektrischen Strom. Seine Theorie: Diese Energiezufuhr könnte die entscheidenden Reaktionen ermöglicht haben und so erste Lebensbausteine erzeugt haben.
1958 führte Miller ein weiteres Experiment durch, bei denen er den Gasmix zusätzlich mit Schwefelwasserstoff ergänzte. Die Analyse der Proben ergab, dass tatsächlich einige einfache Aminosäuren entstanden waren – und damit wichtige Lebensbausteine. Miller jedoch führte diese Analysen nicht weiter. Er bewahrte die Proben zwar auf, kam aber nie mehr auf sie zurück. Jetzt, mehr als 50 Jahre später, hat Jeffrey Bada, ein ehemaliger Student von Miller und heute Professor für Meereschemie an der University of California in San Diego, diese Proben wieder entdeckt und darin eine erstaunliche Entdeckung gemacht:
Mehr Aminosäuren als gedacht
Eine Neuanalyse der Proben mit Hilfe moderner Technologie ergab, dass Millers Experiment weitaus mehr und vielfältigere Lebensbausteine enthielt als lange Zeit angenommen. Das wiederum könnte bedeuten, dass auch auf der frühen Erde sehr viel mehr organische Moleküle existierten als gedacht. Gleichzeitig ist die Molekülmischung in Millers zuvor weitgehend vergessenem 1958er Experiment der Zusammensetzung der Ursuppe vermutlich deutlich ähnlicher als die Mischung in seinem bekannteren Experiment von 1953 ohne den Schwefelwasserstoff.
„Zu unserer großen Überraschung war die Ausbeute an Aminosäuren viel reichhaltiger als bei jedem anderen Experiment, das Miller durchgeführt hat“, erklärt Bada. Als entscheidenden Faktor dafür sehen die Forscher dabei den Schwefelwasserstoff an, ein Gas, das beispielsweise bei Vulkanausbrüchen in großer Menge freigesetzt wird. Hinweise darauf, dass die Aminosäuren durch Kontamination in die Proben gelangten, wie damals von Kritikern teilweise angenommen, fanden sich dagegen nicht.
Untersee-Vulkane als Oasen des Lebens?
Viele Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass vor allem die Untersee-Vulkane der jungen Erde und ihr Umfeld als Oasen des Lebens fungiert haben könnten. Sie lieferten sowohl die Energie als auch die gasförmigen Rohstoffe, die die Bildung präbiotischer Verbindungen erlaubten und schufen damit die Voraussetzung für die Entstehung der ersten einfachen Zellen. Die neuen alten Proben Millers stützen nun diese Theorie. In ihnen fand sich eine große Spannbreite von Aminosäuren, die wiederum Proteinen als Baumaterial dienen könnten.
Die von Miller erzeugten Aminosäuren ähneln darüber hinaus auch denen, die in Meteoriten gefunden worden sind. Dies wiederum stützt eine ebenfalls verbreitete Hypothese, nach der Prozesse, wie sie Miller im Labor durchführte, im Universum natürlicherweise sehr häufig sind. Sie bilden quasi ein Modell, wie auch auf anderen Planeten Leben entstehen oder entstanden sein könnte.
Als nächsten Schritt wollen die Forscher um Bada nun Millers klassisches Experiment mit modernem Gerät erneut durchführen. Dabei soll ein miniaturisierter Mikrowellen-Funkengenerator die Blitze erzeugen und damit den Versuchsverlauf deutlich verkürzen. Geplant ist die Neuauflage des Miller-Experiments für die zweite Jahreshälfte 2011.
(University of California – San Diego, 22.03.2011 – NPO)