Seit 14 Jahren untersucht Andreas Floren vom Biozentrum der Uni Würzburg bereits die Tiergemeinschaften in den Baumkronen. Jetzt nutzt der Biologe erneut ein Heißluft-Luftschiff, um den mit 400 Jahren ältesten Eichenbestand Mitteleuropas zu erforschen, den Eichenhallwald im Spessart bei Weibersbrunn.
{1l}
Das Forschungsgebiet der Baumkronenökologie hat seine Wurzeln in den tropischen Tieflandregenwäldern. Dort leben unvorstellbar viele Insekten und Spinnentiere in den Kronen, und diese hohe Artenvielfalt hat das Interesse so mancher Forschergruppe geweckt. Dagegen sind die Baumkronen in den gemäßigte Klimazonen immer noch sehr wenig untersucht. Das liegt daran, dass Baumkronen zum einen schwer zugänglich sind, zum anderen erwartete die Wissenschaft nicht, dort etwas Überraschendes zu finden.
„Heute wissen wir, dass diese Einschätzung grundlegend falsch ist, denn auch in unseren Bäumen lebt eine reiche Fauna, die viele Prozesse in Ökosystemen ganz entscheidend beeinflusst“, sagt Floren. Dass die Baumkronen nicht zu vernachlässigen sind, darauf deutet schon die hohe Zahl von schätzungsweise 30 Milliarden Bäumen hin, die es in Deutschland gibt. Jeder davon beherbergt zwischen einigen Hundert und Tausenden von Gliedertieren. Viele dieser Arten sind neu für die Wissenschaft, viele sind als selten oder bedroht eingestuft, obwohl sie in den Baumkronen durchaus häufig anzutreffen sind.
Welche Gemeinschaften diese Tiere in den Bäumen bilden, wie sie miteinander und mit ihren Wirtsbäumen in Wechselwirkung treten – davon hat die Forschung bislang nur eine sehr begrenzte Vorstellung. Floren: „Solche Informationen sind aber wichtig, um zu verstehen, wie Ökosysteme funktionieren. Warum beispielsweise kommt es in Urwäldern nicht zum Massenauftreten so genannter Schädlinge, die doch regelmäßig große bewirtschaftete Waldgebiete kahl fressen? Für diese und ähnliche Fragen findet sich eine Teilantwort sicher in den Baumkronen.“
Im Spessart wird der Würzburger Forscher die Baumkronen auch benebeln, um die darin lebenden Insekten und Spinnentiere sammeln zu können. Als Insektizid kommt ein natürliches Pyrethrum zum Einsatz, das hochgradig spezifisch nur gegen Gliedertiere wirkt, schnell verfliegt und in wenigen Stunden zersetzt ist. Die Störung des Ökosystems ist laut Floren minimal.
(Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 05.10.2004 – NPO)