Sind die modernen Vögel zeitgleich mit dem Niedergang der Dinosaurier entstanden, oder gab es sie schon vorher? Genau diese Frage ist nach wie vor strittig, denn paläontologische und genetische Datierungen liegen hier um fast 40 Millionen Jahre auseinander. Jetzt hat eine neue molekularbiologische Methode den Ursprung der Vögel erneut auf rund 100 Millionen Jahre datiert und damit deutlich vor das Ende der Kreidezeit verschoben.
Fossilien versus genetische Uhr
„Typischerweise nutzen Wissenschaftler zwei Informationsquellen um biologische Ereignisse zu datieren“, erklärt Joseph Brown von der Universität von Michigan, Hauptautor der in der Fachzeitschrift „BMC Biology“ veröffentlichten Studie. „Die Fossilienfunde, die physische Relikte der vorzeitlichen Organismen enthalten, sowie molekular-genetische Daten.“ Im Falle der modernen Vögel jedoch haben beide Ansätze bisher widersprüchliche Ergebnisse geliefert und damit immer wieder für hitzige Debatten zwischen Paläontologen und Molekularbiologen gesorgt. Während erstere argumentierten, die genetischen Daten seien fehlerhaft, hielten die Genetiker die Fossiliendaten für unvollständig und lückenhaft.
Tatsächlich haben beide Ansätze ihre Schwachstellen, so Brown. Bei Fossilien sei es leicht, die Zeit zu unterschätzen, die seit der Auftrennung einer Linie vergangen sei, da diese nur die äußeren Veränderungen konservieren. Solche Änderungen jedoch benötigen in der Regel sehr viel mehr Zeit um sich zu manifestieren, während die eigentliche Abspaltung bereits früher, durch äußerlich nicht sichtbare Eigenschaften erfolgt sein könne.
Mutationen als Zeitmesser manchmal ungenau
Die so genannte molekulare Uhr der genetischen Daten dagegen ist nicht so präzise wie einst gedacht. Sie beruht auf der Beobachtung, dass Mutationen im Erbgut zwar zufällig geschehen, sie sich über lange Zeiträume hinweg jedoch in einer relativ konstanten Rate auftreten. Mithilfe dieser Rate kann dann aus der Anzahl der Mutationen auf die vergangene Zeit geschlossen werden.
„Wenn wir beispielsweise wissen, dass DNA-Sequenzen sich im Durchschnitt um zwei Prozent pro einer Million Jahre auseinanderentwickeln, und wir finden zwei Arten, die sich in zehn Prozent ihre Gene unterscheiden, dann können wir darauf schließen, dass sie vor fünf Millionen Jahren noch einen gemeinsamen Vorfahren besessen haben müssen“, so Brown. Das Problem dabei: Die Gene verschiedener Stammlinien können durchaus in unterschiedlichen Mutationsraten „ticken“ und das Ergebnis damit verfälschen.
Neue Methode bestätigt Lücke
Glücklicherweise wurden inzwischen Methoden entwickelt, mit denen das unterschiedlich schnelle “ticken” der Uhren kompensiert werden kann. „Meine Kollegen und ich wendeten diese neue Methoden auf das Problem des Ursprungs der modernen Vögel an“, erklärt der Forscher. „Mit jeder Methode war eine andere Annahme darüber verbunden, wie sich die Mutationsraten innerhalb des Stammbaums verändert haben.“
Die Forscher hofften, damit die Diskrepanz zwischen den Fossiliendaten und den genetischen Ergebnissen auszugleichen – doch das Gegenteil war der Fall: Die neuen Analysen bestätigten erneut, dass die modernen Vögel bereits vor mehr als 100 Millionen Jahren entstanden sein müssen und nicht, wie aus Fossiliendaten vermutet vor 60 Millionen Jahren.
„Anstatt zwischen den Gruppen zu streiten, haben wir nun das gemeinsame Ziel, diese Lücke zu schließen”, erklärt Brown. „Die Lösung dieses Problems wird in jedem Falle noch eine ganze Weile ein fruchtbarer Boden für weitere Forschung sein.“
(University of Michigan, 07.02.2008 – NPO)