Funkenflug im Mondstaub: In den kältesten Regionen des Mondes könnte es immer wieder explosive elektrische Entladungen im Regolith geben. Diese Miniblitze werden durch ein Bombardement von geladenen Teilchen aus Sonnenstürmen ausgelöst. Die explosiven Entladungen schmelzen und verdampfen Teile des Mondstaubs und tragen damit zur Verwitterung der Mondoberfläche bei.
Im Gegensatz zur Erde besitzt der Mond weder eine Atmosphäre noch ein abschirmendes Magnetfeld. Seine Oberfläche ist dadurch der kosmischen Strahlung, dem Sonnenlicht, aber auch Meteoriten und den energiereichen Teilchenströmen von Sonnenstürmen weitgehend schutzlos ausgesetzt. Allein durch die ständigen Meteoritentreffer wird die Oberfläche des Erdtrabanten im Laufe der Zeit geradezu umgepflügt. Teile des Regoliths werden durch die Einschläge zudem geschmolzen oder verdampfen.
Bombardement der „Kältefallen“
Doch es gibt noch einen weiten Effekt, der die Mondoberfläche umformt, wie Andrew Jordan von der University of New Hampshire in Durham und seine Kollegen herausfanden. Dieser Effekt wirkt allerdings im Verborgenen: im Untergrund der dunkelsten und kältesten Krater des Mondes. In ihre Schattenzonen fällt nie ein Sonnenstrahl, dadurch sinkt die Temperatur dort bis auf weniger als minus 238 Grad, wie Messungen durch Mondsonden belegen.
So abgelegen diese südpolaren Kältefallen auch sind, dem kosmischen Bombardement durch die energiereichen Teilchen von Sonnenstürmen entgehen auch sie nicht. Die negativ geladenen Elektronen dieser Teilchenströme dringen dabei weiter in den Regolith ein als die größeren positiv geladenen Ionen. Dadurch bilden sich zwei Schichten mit unterschiedlicher Ladung in den obersten Zentimetern des Regoliths, wie die Forscher erklären.
Miniblitze im Regolith
Normalerweise würden sich solche Ladungsunterschiede im Untergrund schnell ausgleichen. Aber die extreme Kälte macht den Regolith zu einem sehr schlechten Stromleiter, wie die Forscher in Experimenten herausfanden. Dadurch steigen die Ladungsdifferenzen im Untergrund so lange an, bis es zu einem Spannungsdurchschlag kommt: Innerhalb des Regoliths springen Funken über.
„Laborexperimente zeigen, dass ein solcher Spannungsdurchschlag ein explosiver Prozess ist – aber in winzigem Maßstab“, erklärt Jordan. Wie ein Blitz im Miniaturmaßstab heizt diese Entladung ihre unmittelbare Umgebung stark auf. „Während des Durchschlags schmelzen sich die Blitzkanäle durch den Regolith und können die Körnchen sogar verdampfen. Einige der Körnchen können durch die Mini-Explosion auch weggeschleudert werden“, berichtet der Forscher.
Geschmolzen und verdampft
Diese Entladungen im Regolith tragen damit dazu bei, den Mondstaub ständig weiter zu verändern. Immerhin rund zehn Prozent der Oberfläche in den kältesten Gebieten des Mondes könnten durch solche Funken geschmolzen und verdampft sein, schätzen die Forscher. Sonnenstürme haben demnach zumindest in diesen Kältezonen einen fast genauso großen Effekt wie der ständige Einschlag von Minimeteoriten.
Die Miniblitze im Regolith könnten auch erklären, warum der Untergrund gerade in den permanenten Schattenzonen der Südpolarrregion poröser und lockerer ist als anderswo: Die explosiven Entladungen schleudern immer wieder Mondstaub auf und brechen größere Partikel auseinander, wie Jordan und seine Kollegen berichten.
Wichtig sind diese Erkenntnisse auch deshalb, weil Mondgestein und Regolith wichtige Werkzeuge sind, um mehr über die Geschichte und Entwicklung des Erdtrabanten zu erfahren. „Um diese Geschichte zu entschlüsseln müssen wir aber wissen, auf welche Weise die Weltraumumgebung den Untergrund verändert hat“, sagt Jordan. Er und seine Kollegen schließen nicht aus, dass sogar einige der Mondproben der Apollo-Missionen Spuren dieses Funkenschlags zeigen könnte. (Icarus, 2017)
(NASA, 10.01.2017 – NPO)