Archäologie

Mumien aus Großbritannien

Bronzezeitliche Bestattungsrituale auf britischen Inseln beinhalteten offenbar Mumifizierung

Mumifiziertes Skelett aus der Bronzezeit vom Fundort Neat's Court auf der britischen Insel Sheppey. © Geoff Morley

Die Briten der Bronzezeit mumifizierten offenbar viele ihrer Toten vor der Bestattung. Gefundene Skelette sind zwar teilweise verwest, aber im Vergleich zu anderen Skelettfunden zu gut erhalten – Sie zeigen nur geringe Spuren von aktiven Verwesungsbakterien, so wie auch bekannte Mumien, meinen britische Forscher. Daraus schließen sie, dass Mumifizierung in der Bronzezeit eine verbreitete Praxis auf den britischen Inseln war – und vielleicht auch in ganz Europa.

Mumien gehören heute fest zu unserem Bild vom alten Ägypten: Schon vor über 5.000 Jahren konservierten die alten Ägypter die Körper von Verstorbenen, um sie für ein Leben nach dem Tod zu erhalten. Neben den fortgeschrittenen Techniken zur Einbalsamierung kam ihnen dabei auch das Wüstenklima zu Hilfe: Es trocknete die Mumien aus, so dass sie bis heute erhalten blieben. In Nord- und Mitteleuropa findet man Überreste von Körpern aus der frühen Bronzezeit daher hauptsächlich, wenn sie durch andere Faktoren haltbar gemacht wurden. Berühmtestes Beispiel ist die Eismumie „Ötzi“, aber auch viele Moorleichen sind überraschend gut erhalten.

Problematische Verwesungsspuren

Die britischen Inseln mit ihrem sprichwörtlich nassen Klima bieten besonders ungünstige Voraussetzungen, um selbst einen mumifizierten Körper lange zu bewahren: Biologische Verwesungsprozesse bauen jedes organische Material mit der Zeit ab. Daher ist es schwer, anhand gefundener Überreste zu bestimmen, ob eine Leiche mumifiziert wurde oder nicht. „Das Problem für Archäologen ist, eine stimmige Identifikationsmethode für Skelette zu finden, die in der Vergangenheit mumifiziert wurden“, sagt Tom Booth von der University of Sheffield. „Besonders, wenn sie ein Skelett finden, dass außerhalb einer schützenden Umgebung begraben liegt.“

Das Team um Booth hat mehrere solcher bronzezeitlichen Skelette von verschiedenen Fundorten in Großbritannien unter dem Mikroskop genau untersucht. Die britische Bronzezeit reichte ungefähr von 2500 bis 800 vor Christus. Die Forscher achteten bei ihrer Analyse vor allem auf typische Verwesungsspuren, die Bakterien an den Knochen hinterlassen. „Wir wissen aus früherer Forschung, dass Knochen von natürlich verwesten Leichen normalerweise durch Verwesungsbakterien stark abgebaut sind“, erklärt Booth, „während mumifizierte Körper makellos erhaltenes Gewebe zeigen.“

Skelett vom Grabungsort Bradley Fen bei Whittlesey, Cambridgeshire © Cambridge Archaeological Unit

Anzeichen von Mumifizierung

Zum Vergleich zogen die Forscher zwei bekanntermaßen mumifizierte Skelette heran. Eine dieser beiden Mumien stammt aus dem Jemen, die andere aus einem Torfmoor in Irland. Dabei stellten sie fest, dass die Knochen vieler im bronzezeitlichen Britannien bestatteten Leichen ähnlich gut erhalten waren – obwohl sie nicht in ausgesprochen schützenden Umgebungen bestattet waren. Daraus schließen die Wissenschaftler, dass die Mumifizierung in der britischen Bronzezeit eine verbreitete Praxis war.

Auch frühere Zweifel an der Analyse von Mumien-Knochen von den Äußeren Hebriden konnten Booth und Kollegen ausräumen. Die auf dieser Inselgruppe gefundenen Knochen hatten in früheren Studien unstimmige Resultate geliefert: Sie waren nicht in dem perfektem Zustand, der von Mumien zu erwarten wäre, aber auch nicht völlig verwest.

Verwirrende Hebriden-Mumien

Der Vergleich zeigte jedoch: Auch die Mumien aus dem Jemen und aus Irland zeigen bei genauem Hinsehen leichte Verwesungsspuren – vermutlich aufgrund von unvorteilhafter Bestattung nach dem Mumifizieren. Das deutet Booth zufolge darauf hin, dass auch die Skelette von den Hebriden erst mumifiziert und dann bestattet wurden, so wie die anderen Skelettfunde vom britischen Festland.

Mumifizierung war demnach in der Bronzezeit weit verbreitet, sogar mit verschiedenen Techniken: „Unsere Forschung zeigt, dass das Räuchern über einem Feuer oder absichtliche Bestattung im Torfmoor zu den Methoden zählten, mit denen die alten Briten ihre Toten mumifizierten“, sagt Booth.

Mumien auch aus dem restlichen Europa?

Diese Praxis hielt sich offenbar über mehrere Jahrhunderte. Doch bemerkenswerterweise unterscheiden sich die Mumien aus der Bronzezeit deutlich von älteren, aber auch von jüngeren Skelettfunden. Deren Knochen weisen alle typischen Spuren bakterieller Verwesung auf, sie wurden also nicht vor der Bestattung konserviert.

Anhand ihrer mikroskopischen Knochenanalyse wollen die Forscher nun auch im restlichen Europa nach Anzeichen von Mumifizierung vor der Bestattung suchen. „Es ist möglich, dass unsere Methode uns auch andere alte Kulturen erkennen lässt, die ihre Toten mumifiziert haben“, meint Booth. „Die Vorstellung, dass die britischen und vielleicht auch europäischen Menschen der Bronzezeit Ressourcen aufwendeten, um einen Teil ihrer Toten zu mumifizieren und zu erhalten, ändert unser Bild der Bestattungsriten dieser Zeit grundlegend.“ (Antiquity, 2015; doi: 10.15184/aqy.2015.111)

(University of Sheffield, 02.10.2015 – AKR)

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