Blick ins Mumien-Genom: Erstmals ist es Forschern gelungen, das komplette Erbgut ägyptischer Mumien zu entziffern. Die bis zu 3.400 Jahre alte DNA liefert spannende Einblicke in die ägyptische Geschichte: Obwohl Ägypten mehrfach von fremden Völkern besetzt wurde, hinterließ dies genetisch kaum Spuren. Überraschend auch: Moderne Ägypter unterscheiden sich genetisch deutlich von ihren Vorfahren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Mumien liefern spannende Einblicke in das Leben im alten Ägypten. Sie verraten beispielsweise, dass die damaligen Eliten teilweiser bereits in jungen Jahren unter Arterienverkalkung litten und auch sonst nicht sehr gesund lebten. Zudem halfen Mumienuntersuchungen auch schon dabei, historische Mordfälle und undurchsichtige Verwandtschaftsverhältnisse aufzuklären.
Zu heiß, zu feucht und viel zu beschädigt?
Doch das Erbgut der ägyptischen Mumien verlässlich und vollständig zu entziffern, galt bisher als nahezu unmöglich: „Das heiße ägyptische Klima, die hohe Feuchtigkeit in vielen Gräbern und einige der bei der Mumifizierung eingesetzten Chemikalien tragen zur DNA-Degradation bei und machen daher die langfristige Erhaltung des Erbguts von ägyptischen Mumien unwahrscheinlich“, erklärt Seniorautor Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena.
Dennoch haben Krause und sein Team einen neuen Versuch der DNA-Sequenzierung gestartet – mit Erfolg. Für ihre Studie analysierten die Forscher DNA-Proben von 151 Mumien, die zwischen 1388 vor und 426 nach Christus im mittelägyptischen Abusir el-Meleq bestattet worden waren. Sie stammen damit teilweise aus dem Neuen Reich, der Zeit der Ptolemäer und auch aus der Ära der römischen Besatzung.
Durchbruch dank modernster Technologie
Dank modernster Technologie gelang es den Forschern, bei 90 der 151 Mumien, die mitochondriale DNA zu gewinnen und zu analysieren. Dieser nicht im Zellkern liegende Erbgutteil liefert wertvolle Informationen über die mütterliche Abstammung. Bei drei männlichen Mumien konnten die Wissenschaftler zudem erstmals das gesamte Erbgut sequenzieren – ein wichtiger Durchbruch für die Erforschung alter DNA.
„Die bisherigen Befürchtungen, dass Klima und Mumifizierung per se eine Erhaltung der DNA bei ägyptischen Mumien verhindern, können wir damit widerlegen“, konstatieren die Forscher. Mit Hilfe moderner Sequenzierungs-Technologien eröffnet das Erbgut von Mumien nun wertvolle Einblicke in die Geschichte des alten Ägypten auch auf genetischer Ebene.
Eroberer hinterließen kaum genetische Spuren
Tatsächlich liefern die jetzt untersuchten Mumien bereits spannende neue Erkenntnisse. Denn sie stammen aus einer Zeit, in der Ägypten immer wieder von fremden Völkern dominiert, besetzt oder beherrscht wurde – unter anderem von Assyrern, Persern, Griechen und Römern. „Wir wollten testen, ob die Eroberung durch Alexander den Großen und andere fremde Mächte einen genetischen Abdruck im Erbgut der altägyptischen Population hinterlassen hat“, erklärt Verena Schünemann von der Universität Tübingen.
Das überraschende Ergebnis: „Die Genetik der Bewohner von Abusir el-Meleq hat während der von uns untersuchten Zeitspanne von 1300 Jahren kaum größere Veränderungen durchlebt“, berichtet Koautor Wolfgang Haak vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Das spricht dafür, dass die Population von fremder Eroberung und Herrschaft genetisch kaum beeinflusst wurde.“
Moderne Ägypter sind anders
Und noch eine Überraschung ergab die DNA-Analyse: Die heutigen Ägypter unterscheiden sich genetisch erheblich von ihren berühmten Vorfahren. Während diese eng mit den Bewohnern der Levante, Anatoliens und dem restlichen Mittelmeerraum verwandt waren, gilt dies für ihre Nachfahren nur eingeschränkt. Denn moderne Ägypter tragen bis zu 20 Prozent Erbgut von schwarzafrikanischen Populationen in sich, wie die Forscher berichten.
„Das deutet darauf hin, dass es in den letzten rund 1500 Jahren eine Zunahme des Genflusses aus dem subsaharischen Afrika nach Ägypten gegeben hat“, sagt Haaks Kollege Steffen Schiffels. Mögliche Gründe dafür könnte eine verstärkte Einwanderung von Menschen aus den nilaufwärts liegenden Regionen gewesen sein, aber auch ein vermehrter Fernhandel zwischen dem südlichen Afrika und Ägypten, mutmaßen die Forscher.
Auch der Sklavenhandel, der vor rund 1300 Jahren begann, könnte zu diesem Genfluss beigetragen haben. In seinem Verlauf wurden schätzungsweise sechs bis sieben Millionen Sklaven aus dem Afrika südlich der Sahara nach Nordafrika verschleppt, wie die Wissenschaftler berichten. (Nature, 2017; doi: 10.1038/ncomms15694)
(Nature, Max-Planck-Gesellschaft, 31.05.2017 – NPO)