Düstere Aussichten: Der Nahe Osten und der östliche Mittelmeerraum gehören schon jetzt zu den besonders vom Klimawandel betroffenen Regionen. Nirgendwo sonst nehmen Hitzewellen so stark zu und die Erwärmungsrate ist doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt, wie eine Studie aufzeigt. Damit wird die ohnehin von Trockenheit und Hitze geprägte Region mehr und mehr zum Problemfall und Hotspot der Klimakrise. Schreitet der Klimawandel ungebremst weiter fort, könnte die regionale Erwärmung im Nahen Osten bis zu fünf Grad erreichen.
Der östliche Mittelmeerraum und der Nahe Osten waren einst als fruchtbarer Halbmond die Wiege der menschlichen Zivilisation. Heute dagegen ist diese Region von Hitze, Dürren und verstärkten politischen Unruhen geprägt. So erlebt die Levante zurzeit die schlimmste Trockenperiode der letzten 900 Jahre, zudem nehmen die Niederschläge im Mittelmeerraum wegen einer regionalen Anomalie überproportional schnell ab. Schon jetzt prognostizieren Klimaforscher, dass bis 2050 Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas unbewohnbar heiß werden könnten.
Doppelt so schnelle Erwärmung
Jetzt gibt es neue, konkrete Daten dazu, wie stark der Klimawandel diese Region schon verändert hat und was dies für die Zukunft bedeuten könnte. George Zittis vom Cyprus Institute auf Zypern und seine Kollegen haben dafür meteorologische und klimatologische Messreihen der letzten Jahrzehnte ausgewertet. Mithilfe von Klimamodellen haben sie zudem eine Prognose für die künftige Entwicklung erstellt.
Das Ergebnis: Der östliche Mittelmeerraum und Nahe Osten sind schon jetzt stärker von der Erwärmung betroffen als viele andere Regionen. Im Zeitraum von 1981 bis 2019 lag die Rate der Erwärmung dort bei 0,45 Grad pro Dekade. „Das ist fast doppelt so viel wie im globalen Trend“, berichtet das Team. „Vergleicht man diese regionale Erwärmung mit der anderer bewohnter Gebiete, ist sie die höchste, gefolgt von Europa mit 0,41 Grad pro Dekade.“
Mehr und extremere Hitze
Auch Wetterextreme – vor allem Hitzeperioden – haben im Mittelmeerraum und Nahen Osten bereits überproportional stark zugenommen. Ihre Intensität, Dauer und Häufigkeit sind deutlich angestiegen, der kumulative Hitzetrend ist mit plus 50 Prozent schon jetzt einer der höchsten weltweit, wie die Forschende berichten. Das zeigt sich auch an der Häufung immer neuer Hitzerekorde: Im Sommer 2016 wurde es in Kuweit erstmals bis zu 54 Grad heiß, im Jahr 2017 wurde im Südwesten des Iran ebenfalls ein Hitzerekord von knapp 54 Grad erreicht.
Noch extremer ist die Entwicklung in den Wüstengebieten der Region. In solchen ariden, kahlen Landschaften verstärken sich die Temperaturextreme. „Die Oberflächentemperatur der Sahara hat sich dadurch zwei bis viermal stärker erhöht als im tropischen Durchschnitt der letzten 30 Jahre“, so Zittis und seine Kollegen. Auf der Arabischen Halbinsel messen Satelliten inzwischen regelmäßig Höchstwerte von über 60 Grad und im Jahr 2018 wurde in der Lut-Wüste im Iran die höchste jemals auf der Erde gemesssene Oberflächentemperaturen registriert: 80,8 Grad.
Heiße Aussichten und verschobene Klimazonen
Und die Zukunft sieht nicht gut aus: Den Klimamodellen zufolge wird sich die überproportionale Erwärmung des östlichen Mittelmeerraums und Nahen Ostens weiter fortsetzen. Schreitet der Klimawandel weiterhin nahezu ungebremst fort, könnte es dort schon im Jahr 2050 zwei bis drei Grad wärmer sein als noch in den 1990er Jahren. Bis 2100 könnte die Erwärmung fünf Grad erreichen, die Sommer könnten dann sogar sechs bis acht Grad heißer werden als noch um das Jahr 1990 herum. Die Kombination aus weniger Regen und starker Erwärmung würde zu schweren Dürren beitragen.
Als Folge werden sich auch die Klimazonen verschieben: Viele Gebiete, die nach der Klimaklassifikation von Köppen und Geiger jetzt noch als gemäßigt-warm und feucht-warm gelten, werden dann zu Trockenregionen. „Solche ariden Zonen werden sich die Teile Zyperns, des östlichen Griechenland und der Türkei ausdehnen, die heute noch als gemäßigte Klimazonen gelten“, schreiben Zittis und seine Kollegen. „Diese Veränderungen werden negative Folgen für Mensch und Natur nach sich ziehen.“
Bei anhaltendem Klimawandel werden auch Hitzewellen an Land und im Meer schlimmer werden: In einer global um drei Grad wärmeren Welt könnte dann beispielsweise die griechische Hauptstadt Athen jedes Jahr eine Hitzewelle durchleben, wie sie historisch nur einmal alle 20 Jahre vorkommt. An den Küsten müssen die Menschen zudem mit jährlich auftretenden marinen Hitzewellen rechnen, die viermal intensiver sind als heutige und mehrere Wochen länger anhalten, wie Zittis und sein Team berichten.
„Potenziell katastrophale Auswirkungen“
Nach Ansicht der Forschenden könnte der fortschreitende Klimawandel und seine Folgen praktisch alle sozioökonomischen Sektoren im Mittelmeerraum und Nahen Osten schwerwiegend treffen – mit potenziell katastrophalen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebensgrundlage der 400 Millionen Menschen, die in dieser Region leben. Betroffen wären die Gesundheit, die Wasserversorgung, die Landwirtschaft und – bei zunehmendem Mangel an Ressourcen – auch das soziale Gefüge und die politische Stabilität.
Um die schlimmsten Klimafolgen in der Region abzuwenden, halten die Wissenschaftler sofortige und effektive Klimaschutzmaßnahmen für dringend erforderlich. „Da viele regionale Folgen des Klimawandels grenzüberschreitend sind, ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Ländern unerlässlich, um die erwarteten negativen Auswirkungen zu bewältigen. Die Notwendigkeit, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, ist dringlicher denn je“, sagt Seniorautor Jos Lelieveld vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Passenderweise findet die nächste Weltklimakonferenz im November 2022 im ägyptischen Sharm-El-Sheikh statt – mitten im Hotspot der klimatischen Veränderungen. (Reviews of Geophysics, 2022; doi: 10.1029/2021RG000762)
Quelle: Max-Planck-Institut für Chemie