Der Weg ist das Problem: Der Transport von Obst, Gemüse, Getreide und Co hat einen überproportional großen Anteil am CO2-Ausstoß der weltweiten Nahrungsmittelproduktion, wie eine Studie enthüllt. Die internationalen und nationalen Nahrungsmitteltransporte sind demnach für rund 30 Prozent der Emissionen im Lebensmittelsektor und sechs Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Der CO2-Fußabdruck ist dabei deutlich höher als bei anderen Waren, wie das Team im Fachmagazin „Nature Food“ berichtet.
Ob Bananen aus Mittelamerika, Avocados aus dem Mittleren Osten oder Kiwis aus Neuseeland: Viele unserer Lebensmittel sind importiert und stammen von weit her. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen verlagert dabei der Welthandel die Probleme, die durch den Konsum der reichen Länder entstehen, in andere Regionen. Dies gilt für Umweltfolgen wie Wassermangel, Artenschwund oder die Abholzung von Wäldern ebenso wie für die durch Anbau und Verarbeitung von Nahrungsmitteln erzeugten CO2-Emissionen.
Genauerer Blick auf Lebensmittel-Transporte
Einen bisher unterschätzen Aspekt in der Ökobilanz der Nahrungsmittelprodduktion haben nun Mengyu Li von der University of Sydney und ihre Kollegen näher untersucht. Angesichts des zunehmenden Anteils importierter und teilweise über große Entfernungen gehandelter Lebensmittel wollten sie wissen, welche CO2-Emissionen auf den weltweiten Nahrungsmitteltransport entfallen. Dafür entwickelten sie ein Computermodell, das auf Basis von globalen und nationalen Daten zu Lieferketten, Emissionen und Transportwegen das weltweite Handelsnetz für Lebensmittel rekonstruiert.
Anhand dieses Modells ermittelten die Forschenden die CO2-Bilanz und Transportstrecken für Lebensmittel global und in 74 Ländern, für 37 verschiedene Wirtschaftssektoren und vier Transportarten. Insgesamt werteten sie dabei rund 30 Millionen direkte Handelsverbindungen aus. Daraus wiederum konnte das Team auch für verschiedenste Lebensmittel und Länder die Länge der Transportstrecken und den Umfang der darüber bewegten Güter ermitteln.
Mehr Transportemissionen als bei anderen Waren
Das Ergebnis ist ein Modell, das die Transportströme und -mengen im gesamten Nahrungsmittelbereich weltweit zeigt. Der Ernährungssektor ist demnach insgesamt für Emissionen von etwa 15,8 Gigatonnen CO2 pro Jahr verantwortlich – und davon entfallen rund drei Gigatonnen allein auf den nationalen und internationalen Transport von Lebensmitteln. „Dieser Wert liegt 3,5- bis 7,5-mal höher als frühere Schätzungen“, berichten Li und ihre Kollegen.
Der Transport hat im gesamten Treibhausbudget der Lebensmittelproduktion inklusive aller Landnutzungs-Effekte zudem einen überproportional hohen Anteil von rund 19 Prozent. „Damit liegen die Transportemissionen im Lebensmittelbereich weit über denen anderer Güter: Im Allgemeinen ist Fracht nur für rund sieben Prozent der CO2-Bilanz der Industrie und Güterproduktion verantwortlich“, erklärt das Team.
Obst und Gemüse sind besonders CO2-trächtig
Besonders groß ist der CO2-Ausstoß beim Transport von Obst und Gemüse: Weil sie schwer sind, oft über weite Strecken transportiert und dabei gekühlt werden müssen, schlägt der Transport bei diesen Lebensmitteln überproportional stark in der Treibhausgasbilanz zu Buche. „Der Transport von Gemüse und Früchten verursacht mehr als eine Verdopplung ihrer produktionsbedingten Emissionen von 0,5 Gigatonnen CO2-Äquivalenten auf 1,1 Gigatonnen jährlich“, berichten Li und ihre Kollegen.
Vergleicht man verschiedene Länder und Regionen, gibt es jedoch deutliche Unterschiede. Demnach haben die USA, China, Indien und Russland den höchsten Anteil an den transportbedingten Emissionen der Lebensmittelindustrie, aber auch kleinere, reiche Länder tragen stark dazu bei: „Die reichsten Länder repräsentieren rund 12,5 Prozent der Weltbevölkerung, sind aber mit 46 Prozent der international zurückgelegten Lebensmittel-Kilometer und der damit verbundenen Emissionen verantwortlich“, schreibt das Forschungsteam.
Plädoyer für mehr regionale Kost
Nach Ansicht der Wissenschaftler sollte für eine klimafreundlichere Nahrungsproduktion nicht nur der Fleischkonsum reduziert werden, sondern auch das Ausmaß der Ferntransporte von Lebensmitteln. „Bisher lag die Aufmerksamkeit in der Forschung zu einer nachhaltigeren Lebensmittelproduktion vor allem auf dem Vergleich von tierbasierter mit pflanzenbasierter Ernährung“, sagt Lis Kollege David Raubenheimer. „Unsere Studie zeigt nun, dass auch der Wandel zu einer stärker regionalen und lokalen Ernährung sinnvoll ist.“
Hier seien neben der Politik und Wirtschaft auch die Verbraucher gefragt: Wenn sie akzeptieren, dass saisonales Obst und Gemüse nicht das ganze Jahr über lokal verfügbar sind, könnte dies viele Ferntransporte solcher Lebensmittel ersparen. Gleichzeitig sei es auch die Aufgabe der Händler, Lebensmittelketten und anderer Anbieter, den Anteil lokal erzeugter Nahrungsmittel in den Läden zu erhöhen und sie für die Kundschaft attraktiver zu machen. „Wenn wir die Haltung und das Verhalten der Einzelnen gegenüber nachhaltiger Ernährung verändern, dann bringt dies der Umwelt in großem Stil Vorteile“, sagt Raubenheimer. (Nature Food, 2022; doi: 10.1038/s43016-022-00531-w)
Quelle: University of Sydney