Umwelt

Natürlicher Giftcocktail in Fischen

Krebseerregende Naturstoffe in Tieren aus Aquakulturen nachgewiesen

Kalter Fisch © IMSI MasterClips

Zurzeit schwimmt Fisch noch auf der Überholspur: 2005 verzehrte jeder Deutsche laut dem Deutschem Fischinformationszentrum mit 14,8 Kilogramm fast acht Prozent mehr Fisch als noch im Vorjahr. Jetzt machten die Forscher eine Entdeckung, die es in sich hat: Sie fanden im Fett von Seefischen aus Aquafarmen erhöhte Konzentrationen an gefährlichen Naturstoffen. Diese ähneln den früher als Flammschutzmitteln in Armaturenbrettern oder Computergehäusen verwendeten, krebserregenden polybromierten organischen Substanzen massiv.

Bis 2004 wurden solche Verbindungen künstlich produziert. Seit zwei Jahren sind die bedenklichsten unter ihnen EU-weit verboten. Dass die so genannten halogenierten Naturstoffe oft in höheren Konzentrationen – ermittelt wurden Gehalte von bis zu einem Milligramm pro Kilogramm (mg/kg)- auftreten als die gerade verbannten Schadstoffe, könnte nach Ansicht der Forscher von der Universität Hohenheim auch eine Folge der Überfischung der Meere sein.

Auslöser der aktuellen Forschung waren Kontrollen des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, die bei Proben von Speisefischen aus dem Mittelmeer auf rätselhaft hohe Werte organischer Substanzen stießen. Hilfe suchend wandte sich das Überwachungsamt an den Lebensmittelchemiker der Universität Hohenheim, der die gefundenen Stoffe nach mehreren komplexen Untersuchungen als polybromierte Substanzen natürlichen Ursprungs identifizieren konnte.

Nur wenige Atome unterscheiden sich

"Einige polybromierten Naturstoffe unterscheiden sich nur um wenige Atome von den Chemikalien, die von Menschenhand gemacht wurden", sagt Professor Walter Vetter vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Hohenheim. Bislang hatte allerdings niemand damit gerechnet, dass sie sich in Meeresfischen anreichern und so auf dem Teller der Verbraucher landen könnten. Denn eigentlich werden diese Substanzen nur von niederen Organismen wie Algen, Schwämmen oder Würmern produziert, um Feinde abzuschrecken.

Dass sich diese Stoffe jetzt mitunter in beachtenswerten Mengen in Meeresfischen finden, "dazu trägt der Mensch mit der Fischzucht bei", so Vetter. Erdgeschichtlich hätten sich diese Verbindungen evolutionär im fein abgestimmten Ökosystem Meer entwickelt und wurden von der Natur bislang im Gleichgewicht der Kräfte gehalten. Auch aufgrund der Überfischung gingen jedoch immer mehr Fischproduzenten dazu über, Fische in eingezäunten Aquakulturen in Küstennähe zu züchten – also genau im Lebensraum von Meeresalgen und Schwämmen, die polybromierte Substanzen erzeugen.

"Fische, die sich frei im Meer bewegen, weisen zumeist wesentlich geringere Gehalte an halogenierten Naturstoffen auf", sagt Vetter. "Die Aquakultur kaserniert die Meeresfrüchte dagegen an Orten, wo sie den polybromierten Substanzen konstant ausgesetzt sind – so dass sie vermehrt aufgenommen und im Fettgewebe angereichert werden."

Übertragungsweg noch unklar

Wie der Übertragungsweg von Algen, Würmern oder Schwämmen zum Fisch ist, sei noch nicht gänzlich erforscht. "Wir können aber sicher sein, dass die durch Überfischung der Meere immer intensiver betriebene Fischzucht einer der Gründe für das vermehrte Auftreten in Speisefisch ist."

So fanden die Forscher vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Hohenheim in Seafood aus Asien, Ozeanien und Europa verschiedene polybromierte Naturstoffe, die mit dem Vorkommen von Algen und Schwämmen in Verbindung gebracht werden konnten.

Auch Wundermittel belastet

Erstaunt waren die Hohenheimer Wissenschaftler auch über Testergebnisse von Extrakten, wie etwa Haileberöl oder Algentabletten. Wegen ihrer hohen Konzentration an Eiweiß, Vitaminen und Omega3-Fettsäuren werden die Nahrungsergänzungsmittel gern als Wundermittel angepriesenen. Dabei wiesen vereinzelte Proben noch höhere Werte auf als die am höchsten belasteten Speisefische.

Irritierend ist allerdings ein weiterer Aspekt bestimmter Polybromverbindungen: Wenn wir im Restaurant Meeresfrüchte bestellen, dann soll ihr jodartiges Aroma unsere Sinne an eine raue Meeresküste entführen. "Dieser typische "Meer-Geschmack" geht wahrscheinlich ebenfalls auf polybromierte organische Substanzen zurück", so Vetter.

Was diese Entdeckungen für den Menschen bedeuten? "Klar ist, dass sich die bromierten Verbindungen im Fettgewebe anreichern", erklärt der Wissenschaftler. Dass eine akute Gefährdung für den Verbraucher bestehe, könne aber noch nicht gesagt werden: "Dazu müssen erst umfassende toxikologische Untersuchungen erfolgen. Wir werden das im Auge behalten", bekräftigt Vetter.

(idw – Universität Hohenheim, 05.01.2007 – DLO)

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