Archäologen haben die ältesten spezialisierten Knochenwerkzeuge Europas entdeckt. Das Überraschende daran: Die rund 50.000 Jahre alten Werkzeuge zur Lederbearbeitung stammen nicht vom modernen Menschen, sondern vom Neandertaler – dem man diese Technologie bisher nicht zugetraut hatte. Das aber könnte bedeuten, dass unsere Vorfahren sich diese Werkzeuge sogar von ihrem vermeintlich dümmeren Vetter abschauten, wie die Forscher im Fachmagazin “ Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.
Welche Fähigkeiten die Neandertaler einst besaßen, ist noch immer umstritten: Einige Forscher sind der Meinung, dass sie bereits ähnlich kulturell fortgeschritten waren wie die anatomisch modernen Menschen ihrer Zeit. Andere gehen dagegen davon aus, dass diese Ähnlichkeiten erst auftraten, nachdem sich beide Menschenarten begegnet waren und sich die Neandertaler einiges von unseren Vorfahren abgeguckt hatten. Dafür spricht, dass beispielsweise feine Steinklingen, Schmuck und Knochenwerkzeuge erst aus der Endzeit der Neandertalerkultur bekannt sind – kurz bevor die Eiszeitmenschen endgültig vom modernen Menschen verdrängt wurden. Das war vor rund 40.000 Jahren der Fall.
Weicheres Leder dank Knochenschaber
Als eine der Techniken, die sich erst nach Ankunft des Homo sapiens in Europa ausbreitete, galt bisher die Herstellung und Nutzung spezialisierter Knochenwerkzeuge. „Zwar stellten auch die Neandertaler manchmal Schaber und sogar Faustkeile aus Knochen her“, erklärt Shannon McPherron vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, einer der beiden Leiter der Ausgrabungen. Die bisherigen Funde ähnelten aber noch stark den Steinwerkzeugen und wurden auch mit ähnlichen Techniken hergestellt.

Anders dagegen die von den modernen Steinzeitmenschen hergestellten Knochenwerkzeuge: Sie hatten neue Formen und nutzten gezielt die Vorteile des leichteren und weicheren Knochenmaterials. So schliffen unsere Vorfahren die Enden von Knochen zu runden Schabern ab, sogenannten Lissoirs. Mit diesen handlichen, gut greifbaren Werkzeugen rieben sie so lange über Tierhäute, bis das Leder weich, glatt und wasserbeständiger wurde.