Geowissen

Neandertaler starben früher aus als gedacht

Auf der iberischen Halbinsel entdeckte Funde sind 10.000 Jahre älter als gedacht

Der Kieferknochen eines Neandertalers. Der Fund wurde nahe Zafarraya in der Provinz Granada gemacht. © C. Barroso-Ruíz

Die letzten Neandertaler Europas könnten doch schon verschwunden sein, bevor sie in Kontakt mit den neu einwandernden modernen Menschen kamen. Denn die jüngsten Neandertalerfossilien der Iberischen Halbinsel sind keine rund 35.000 Jahre alt, wie bisher angenommen, sondern mehr als 46.000 Jahre. Das zeigt eine systematische Nachdatierung der Relikte durch ein internationales Forscherteam. Wie sie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten, seien Kontaminationen schuld an den zuvor zu jungen Datierungen.

Die Iberische Halbinsel gilt als letztes Refugium der Neandertaler, unserer urzeitlichen „Vettern“. Zahlreiche Funde sowohl von Neandertalerknochen als auch von Relikten des aus Afrika einwandernden modernen Menschen deuteten darauf hin, dass beide Menschenarten vor rund 35.000 bis 40.000 Jahren in dieser Region sogar gleichzeitig existiert haben könnten. Einige Forscher vermuteten sogar, dass die Neandertaler noch bis vor 34.500 Jahren im bewaldeten Süden der Halbinsel lebten, und dass erst eine Klimaabkühlung dem modernen Menschen das Vorrücken dorthin ermöglichte. Wichtigstes Indiz dafür war die Datierung der Funde. Doch genau diese stellt sich jetzt als falsch heraus.

Rachel Wood von der University of Oxford und ihre Kollegen haben für ihre Studie 219 Knochen aufs Neue analysiert, die in elf Fundstätten im Süden und in der Mitte der Iberischen Halbinsel entdeckt worden waren. Dabei ergänzten sie das übliche Verfahren der Radiokarbon-Datierung, indem sie vor der Altersbestimmung das Kollagen aller Knochenproben mittels Ultrafiltration von anhaftenden Verunreinigungen befreiten. Viele der Proben erweisen sich als nicht mehrt verlässlich datierbar, bei zwei Fundorten aber Jarama VI bei Guadalajara und Zafarraya nahe der Stadt Malaga hatten sie Erfolg. Beide gelten als die letzten Refugien der Neandertaler auf der Halbinsel.

Neandertaler und moderner Mensch. So könnten die ehemaligen Bewohner Europas ausgesehen haben. © Neanderthal Museum (Mettmann, Deutschland)

10.000 Jahre älter als gedacht

„Die Knochenfunde beider Fundstellen sind mindestens 10.000 Jahre älter als bisher angenommen“, berichten die Forscher. Ihre Alter liege nahe der Nachweisgrenze der Radiokarbon-Methode und damit bei fast 50.000 Jahren. Bei vielen anderen Fundstellen seien mangels Neandertalerknochen Kohlestücke oder Tierknochen datiert worden, so dass bei diesen eine eindeutige Zuordnung ohnehin fraglich sei. Ein Beispiel dafür ist nach Angaben der Forscher die Fundstelle Cueva Antón bei Murcia. Proben aus dieser Grabungsstelle seien zwar auch nach der neuen Datierung rund 38.000 Jahre alt. Doch es handele sich dabei nur um Kohlenstücke, die zudem von nur extrem wenigen Steinartefakten begleitet worden seien. Ob es sich tatsächlich um Relikte der Neandertaler handele, sei daher nicht klar, meinen die Wissenschaftler.

„Es ist zwar noch immer strittig, ob die bisherigen Vorstellung einer Koexistenz von Neandertaler und modernem Menschen in dieser Region tatsächlich stattfand, unsere Daten deuten aber darauf hin, dass beide Menschenarten nicht im gleichen Gebiet zur gleichen Zeit lebten“, sagt Koautor Jesús Jordá Pardo von der Universidad Nacional de Educación a Distancia in Madrid. (PNAS, 2013; doi: /10.1073/pnas.1207656110)

(Proceedings of the National Academy of Sciences, 05.02.2013 – NPO)

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