Stürme mit Orkanböen über der Nordsee sind keine Seltenheit. Doch alle paar Jahre gibt es eine ungewöhnlich starke Häufung dieser Sturmzyklonen. So auch von Ende Dezember 2006 bis Ende Januar 2007, als in rascher Folge mehrere Tiefdruckgebiete den Nordseeraum überquerten. Unter diesen befand sich auch das Orkantief KYRILL, das am 18./19.01.2007 nach vorläufigen Schätzungen in Europa 49 Todesopfer und einen Gesamtschaden von 13 Milliarden US-Dollar hinterließ. Experten vom Deutschen Wetterdienst sind dem Rätsel auf der Spur, ob es sich hierbei um normale „Wetterkapriolen“ oder um die Auswirkungen des Klimawandels handelt.
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„Eine Häufung sehr kräftiger Stürme bis Orkanstärke gab es auch schon 1990, von Ende Januar bis Ende März“, erläutert Christiana Lefebvre vom Deutschen Wetterdienst in Hamburg. „Damals verursachten Winterstürme wie DARIA, OTTILIE, VIVIAN und WIEBKE, die mit vergleichbaren Windgeschwindigkeiten wie KYRILL über das Land zogen, nicht nur in Deutschland sondern auch in weiten Teilen Europas hohe Schäden.“
Einzelfall oder Klimawandel?
Aber nicht nur das Jahr 1990 zeigte sich äußerst stürmisch, auch die Folgejahre waren sehr windreich. Nicht nur die Wissenschaftler vom DWD fragten sich damals, ob darin bereits der Klimawandel zu erkennen sei. Zur Jahrtausendwende ging dann allerdings das Windaufkommen zunächst deutlich zurück. Unterstützt durch die Temperaturrekorde vom Herbst 2006 bis zum Frühling 2007 inklusive der Häufung von extremen Sturmtiefs ergab sich diese Fragestellung aber nun erneut.
„Der winterlichen Serie von Sturmzyklonen war bereits im Oktober das Orkantief BRITTA vorausgegangen, das einen lang anhaltenden Nordwest- bis Nordsturm über der Nordsee mit Böen bis 150 Kilometer pro Stunde und schweren Wellengang hervorgerufen hatte“, schildert Lefebvre anschaulich die damalige Situation. „Hierdurch bildeten sich ungewöhnlich hohe Wellen mit einer signifikanten Wellenhöhe um zehn Meter – nicht nur in den tieferen Nordseezonen sondern auch in den flacheren Gewässern der südlichen Nordsee.“ Dies hatten Messungen und aufgetretene Beschädigungen an der Forschungsplattform „Fino1“ belegen können, die rund 50 Kilometer nördlich der Insel Borkum verankert ist.
Blick in die Vergangenheit
Um nun Aussagen über die Veränderung des Windfeldes über einen längeren Zeitraum treffen zu können, griffen die Experten vom DWD auf den so genannten geostrophischen Wind zurück. „Dieser fußt auf den auf Meeresniveau reduzierten Luftdruckwerten und ist damit unabhängig von meist nicht für einen größeren Raum repräsentativen Windmessungen“, so Lefebvre. Für ihre Analyse stellten die Wissenschaftler die Daten aus den täglichen Luftdruckwerten von Emden, Hamburg und Sylt bzw. Fanø zusammen. Auf diese Weise erhielten sie die Jahresmittel des geostrophischen Windes über der Deutschen Bucht im Zeitraum von 1879 bis 2006.
„Es hat sich gezeigt, dass zwischen 1880 und 1925 durchaus vergleichbar hohe mittlere Windgeschwindigkeiten herrschten wie in den `windreichen´ 1990-er Jahren“, erläutert Gudrun Rosenhagen vom DWD das Ergebnis der Studie. „In unseren repräsentativen Diagrammen suggeriert die Kurve des zehnjährigen gleitenden Mittels zwar eine etwa 40-jährige Schwingung. Doch diese ist weder erklärbar noch statistisch belastbar – einen eindeutigen Hinweis auf den Klimawandel als Auslöser der Häufung von Sturmzyklonen über der Nordsee gibt es daher nicht.“
(Deutscher Wetterdienst – Seewetteramt Hamburg, 14.09.2007 – AHE)