Paläontologie

Neue Archaeopteryx-Art identifiziert

"Phantom-Fossil" entpuppt sich als bisher jüngster und vogelähnlichster Archaeopteryx

Fossil des sogenannten Daiting-Exemplars des Archaeopteryx - dieses hat sich nun als eigene Art entpuppt. © H. Raab/ CC-by-sa 3.0

Urvogel-Sippe bekommt Zuwachs: Paläontologen haben eine neue Art des berühmten Archaeopteryx identifiziert. Das lange unzugängliche, in Bayern gefundene „Daiting“-Exemplar des Urvogels gehört demnach zur neugeschaffenen Art Archaeopteryx albersdoerferi. Diese Spezies des Urvogels lebte rund 400.000 Jahre später als der Rest der Gattung und war anatomisch schon vogelähnlicher, wie die Forscher berichten.

Der Archaeopteryx ist eines der berühmtesten Fossilien der Welt und eine Ikone der Evolution. Denn die bisher zwölf bekannten Exemplare zeigen ein Tier, dass sowohl Merkmale von Vögeln wie von Dinosauriern besitzt – ein Bindeglied der Evolution. Der 150 Millionen Jahre alte Archaeopteryx konnte demnach schon fliegen, wenn auch unklar ist, wie gut. Gleichzeitig besaß er aber noch Zähne, Klauen und einen dinosauriertypischen langen Schwanz.

Trotz seiner Berühmtheit gibt es zum Archaeopteryx allerdings einige offene Fragen. Strittig ist unter anderem seine Position im Vogelstammbaum, aber auch die Frage, ob alle bisher bekannten Exemplare zu einer einzigen Art gehören oder nicht.

„Phantom-Fossil“ im Synchrotron

Um darüber mehr Klarheit zu schaffen, haben Martin Kundrát von der slowakischen Universität Pavol Jozef Šafárik und sein Team nun ein lange unzugängliches Archaeopteryx-Exemplar untersucht. Entdeckt wurde es bereits in den frühen 1990er Jahren in einer Kalksteinformation nahe des bayrischen Orts Daiting. Danach jedoch verschwand das Fossil in Privatbesitz und war nicht für Untersuchungen verfügbar – weshalb es den Spitznamen „das Phantom“ erhielt. Erst als der Paläontologe Raimund Albersdoerfer im Jahr 2009 das Daiting-Exemplar erwarb, änderte sich dies.

Kundrát und sein Team haben nun das „Phantom“ unter den Archaeopteryx-Exemplaren mithilfe modernster Technik analysiert. Dank Synchrotron-Mikrotomographie konnte sie dabei auch zuvor verdeckte anatomische Details sichtbar machen. „Dies ist das erste Mal, dass alle Knochen und Zähne des Archaeopteryx aus allen Perspektiven studiert werden konnten und auch ihre innere Struktur enthüllt wurde“, erklärt Kundrát. Zusätzlich analysierten und datierten er und sein Team auch noch einmal das Gestein, in das das Fossil eingebettet war.

So könnte der Archaeopteryx albersdoerferi zu Lebzeiten ausgesehen haben © Zhao Chuang/ PNSO

Eine eigene Art

Das Ergebnis: Der Archaeopteryx von Daiting unterscheidet sich deutlich von den restlichen Exemplaren des Urvogels und er ist jünger als diese. Nach Ansicht der Paläontologen gehört er deswegen zu einer eigenen Art – dem Archaeopteryx albersdoerferi. Damit umfasst die Gattung nun neben Archaeopteryx lithographica, dem Holotyp dieser Urvögel, und Archaeopteryx siemensii nun mindestens noch eine weitere Spezies. Ob auch das Münchener und das Solnhofener Exemplar jeweils eigenen Arten angehören, ist bislang strittig.

„Archaeopteryx albersdoerferi ist eines der bedeutendsten Exemplare des Archaeopteryx, weil er rund 400.000 Jahre jünger ist als alle anderen bisher bekannten Vertreter dieser Gattung“, sagt Kundrát. Dazu passt, dass Archaeopteryx albersdoerferi gegenüber seinen Verwandten einige anatomische Fortschritte zeigt: Er besitzt weniger Zähne und stärker verschmolzene Schädelknochen, außerdem hat sein Gabelbein eine größere Ansatzstelle für die Flugmuskeln als bei den älteren Urvögeln – er könnte demnach kräftigere Flugmuskeln besessen haben.

Hinzu kommt, dass seine Knochen mehr kleine Hohlräume enthalten als die anderer Archaeopteryx-Fossilien – sie sind damit den porösen, besonders leichten Knochen der heutigen Vögel ähnlicher, wie die Forscher berichten.

Vogelähnlicher als seine Verwandten

„Unsere Ergebnisse belegen, dass der Archaeopteryx albersdoerferi schon mehr Merkmale mit den modernen Vögeln gemeinsam hatte als der ältere Archaeopteryx lithographica“, sagen Kundrát und sein Team. Sie vermuten deshalb, dass der jüngste Vertreter dieser Urvogel-Gattung auch schon am besten fliegen konnte. Ob er sich allerdings eher im Gleitflug von Baum zu Baum bewegte oder flatterte, bleibt auch bei diesem Fossil unklar.

Nach Ansicht der Paläontologen bestätigen die bei Archaeopteryx albersdoerferi nachgewiesenen Merkmale jedoch, dass sich das Fliegen bei den gefiederten Dinosauriern und Urvögeln in vielen kleinen, teils parallelen und teils verschiedenen Schritten entwickelte. „Die Entdeckung des Archaeopteryx albersdoerferi ergänzt die zunehmenden Belege dafür, dass der Übergang von den Dinosauriern zu den Vögeln nicht linear, sondern als komplexes Mosaik verlief“, konstatieren die Forscher. (Historical Biology, 2018; doi: 10.1080/08912963.2018.1518443)

(Taylor & Francis, 25.10.2018 – NPO)

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