Geowissen

Neue Maßzahl für Gebirge

Beaumont-Zahl verrät, welche Kräfte die Höhe und das Schicksal eines Gebirges prägen

Gebirge
Welche Form und Höhe ein Gebirge hat, wird durch das Wechselspiel dreier Faktoren bestimmt. © guvendemir/ Getty images

Neue Klassifizierung: Gebirge sind das Ergebnis eines komplexen Wechselspiels von Kräften. Jetzt zeigt eine neue Maßzahl, welche dieser Faktoren überwiegen, und erlaubt so eine einheitliche Einordnung von Gebirgen weltweit. Je nach Einfluss von Tektonik, Erosion sowie der Krustenstabilität lassen sich Gebirgszüge demnach in drei große Klassen einteilen. Sie verraten auch, wie das künftige Schicksal dieser Gebirge aussehen wird.

Ob Alpen, Himalaya oder Anden: Gebirge entstehen dort, wo Erdplatten miteinander kollidieren und die Erdkruste zusammenstauchen. Wie hoch die Berge sind, hängt vom Tempo der Plattenbewegung ab, von der Nachgiebigkeit der Erdkruste gegenüber dem auflastenden Gewicht und auch von der Erosion. Denn die Abtragung durch Regen und Wind kann einstige Hochgebirge im Laufe der Jahrmillionen zu bloßen Hügeln erodieren, wie einige deutsche Mittelgebirge demonstrieren.

Das Aussehen und künftige Schicksal eines Gebirges hängt von der komplexen Wechselwirkung aller drei Prozesse ab. Welche dieser Kräfte überwiegen und für die Form heutiger Gebirge entscheidend sind, war jedoch bislang strittig.

Eine Zahl für alle Gebirge

Jetzt schafft eine neue Klassifizierung mehr Klarheit: Sie verrät mit nur einer Maßzahl, durch welche Prozesse ein Gebirge geprägt wurde. „Mit unserer Beaumont-Zahl können wir angeben, in welchem Verhältnis Tektonik, Klima und Krustenfestigkeit die Höhe von Gebirgsgürteln steuern“, erklärt Koautor Jean Braun vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ). „Die Beaumont-Zahl zeigt an, welcher dieser drei Faktoren dominiert.“

Entwickelt hat das Team um Braun und Erstautor Sebastian Wolf von der Universität Bergen ihre neue Klassifizierung mithilfe eines Modells, in dem sie thermisch-tektonische Faktoren und die landschaftsprägende Wirkung der Erosion miteinander verknüpften. In ihrer Simulation ließen sie dann zwei Erdplatten kollidieren und variierten dabei die Abtragung durch Regen und Flüsse, das Tempo der Plattenkollision und die Nachgiebigkeit der Lithosphäre.

Drei Typen der Gebirgsentwicklung

Es zeigte sich: Je nach Anteil der drei Einflussfaktoren entwickeln sich Gebirge auf charakteristische Weise – und bilden drei Grundformen aus. Der erste Typ ist gekennzeichnet durch eine starke Tektonik, aber nur geringe Erosion. Dies führt dazu, dass die Höhe des Gebirges primär von Tektonik und Krustenfestigkeit bestimmt wird. Es bilden sich dicke, schräg aufgetürmte Krustenschichten, die das Gebirge immer mehr in die Breite wachsen lassen.

Himalaya
Der Himalaya ist ein Beispiel für ein Typ-1-Gebirge: Er wächst noch und hat eine nur geringe Erosion. © Leo Patrizi/ Getty images

Weil die Erdkruste bei diesem Typ unter dem Gewicht nachgibt, wächst das Typ-1-Gebirge nach der Anfangsphase nur noch wenig. Trotzdem kann es große Höhen erreichen, weil es nur wenig Erosion gibt. Diese Gebirge wachsen langsam, aber stetig weiter und werden selbst über lange Zeiträume hinweg kaum abgetragen. Beispiele für diesen Gebirgstyp sind der Himalaya und die zentralen Anden. Erkennbar ist dieser Gebirgstyp an einer Beaumont-Zahl höher als 0,5, wie das Team erklärt.

Zwischen Wachstum und Erosion

Der zweite Gebirgstyp ist durch ein Gleichgewicht zwischen Tektonik und Krustenfestigkeit einerseits und Erosion andererseits gekennzeichnet. Dies führt dazu, dass auch dieses Gebirge zunächst schnell in die Höhe wächst und dann ein von der nachgebenden Kruste bedingtes Maximum erreicht. Anders als bei Typ 1 wächst das Gebirge dann aber nicht weiter in die Breite und Höhe, weil Wachstum und Erosion einander ausgleichen. Typisch für Typ-2-Gebirge ist eine Beaumont-Zahl zwischen 0,4 und 0,5, ein Beispiel dafür ist der Gebirgsrücken im zentralen Taiwan.

Demgegenüber sind Gebirge des Typs 3 primär von der Erosion geprägt. Die hohen Abtragungsraten begrenzen schon das anfängliche Höhenwachstum und prägen auch die weitere Entwicklung. Diese Gebirge mit einer Beaumont-Zahl von meist unter 0,4 nehmen nicht mehr an Breite zu und verlieren sehr schnell an Höhe, sobald die tektonische Hebung nachlässt. Typischerweise liegen diese Gebirgszüge in feuchten Klimazonen mit starken Niederschlägen, ein Beispiel sind die Südalpen von Neuseeland.

Einordnung vereinfacht

Diese neue Klassifizierung erlaubt es damit, auf relativ einfache Weise nachzuvollziehen, welche Prozesse ein Gebirge prägen. „Für die meisten Gebirgsgürtel ist dies ohne komplizierte Messungen oder Annahmen möglich“, erklärt Braun. „Man muss nur die Konvergenzrate aus heutigen Plattengeschwindigkeiten oder Plattenrekonstruktionen, die Höhe des Gebirges aus einer topografischen Karte und die Verbreiterungsrate aus den geologischen Aufzeichnungen kennen.“

Die resultierende Beaumont-Zahl verrate dann, welcher Faktor dominiere. „Ob ein Berg niedrig oder hoch ist, ist das Ergebnis einer langsamen oder schnellen Plattenkonvergenz, eines feuchten oder trockenen Klimas oder einer starken oder schwachen Kruste“ , so Braun. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04700-6)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ

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