Eine Aurora namens „Steve“: Forscher haben eine neue, sehr ungewöhnliche Art von Polarlichtern identifiziert. Es handelt sich um schmale Streifen aus rötlichem Licht, in denen kurzeitig grüne Strukturen aufleuchten – und die weiter südlich auftauchen als sonst für Auroren typisch. Jetzt liefern Daten der SWARM-Satelliten der ESA erste Hinweise zu den Ursachen dieses „Steve“ getauften Phänomens. Vollkommen erklären können aber auch sie „Steve“ noch nicht.
Polarlichter gehören zu den eindrucksvollsten Phänomenen der Natur. Sie entstehen durch Wechselwirkungen des Sonnenwinds mit der komplexen magnetischen Schutzhülle unseres Planeten. Je nach Teilchen und Wechselwirkung können Auroren verschiedene Farben und Formen haben. Einige pulsieren oder flackern, andere zeigen plötzliche Helligkeits-Ausbrüche. Ein weiterer Sonderfall sind Protonenbögen – zarte, sich im Bogen nach oben ziehende Lichtstreifen, die durch Kollisionen energiereicher Protonen mit dem Gasteilchen entstehen.
Rätselhafte Bögen
Doch es gibt noch eine weitere, zuvor unerkannte Art von Polarlichtern. Erste Hinweise darauf lieferten schon vor einigen Jahren Aufnahmen von Polarlicht-Fotografen. Sie zeigen auf den ersten Blick einen Protonenbogen, der aber ungewöhnlich hell, klar abgesetzt und noch dazu strukturiert ist. Diese Bögen erstrecken sich oft vom Horizont aus oben und scheinen allmählich nach Westen zu wandern.
Ungewöhnlich auch: Diese Bögen treten südlich des 65. Breitengrads auf – und damit am Rand und teilweise außerhalb des klassischen Polarlichtovals. Videoaufnahmen belegen zudem eine wechselnde Struktur dieser Auroren: Sie sind zwar vorwiegend rötlich gefärbt, zeigen aber immer wieder minutenlange Farbwechsel zu grün sowie grünliche Unterstrukturen, die teilweise einem Lattenzaun ähneln.
„Steve“ passt nicht ins Schema
Angesichts dieser ungewöhnlichen Merkmale stehen Polarlichtforscher vor einem Rätsel, denn das vorläufig „Steve“ getaufte Phänomen schien zu keiner der bekannten Polarlichttypen und ihren physikalischen Hintergründen zu passen. „Steve unterscheidet sich von traditionellen Elektronen-Polarlichtbögen“, erklären Elizabeth MacDonald vom NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt und ihre Kollegen. Aber auch zu den Protonenbögen passe dieses Phänomen nicht.
Um dem Rätsel „Steve“ auf den Grund zu gehen, haben die Forscher nun hunderte Fotos analysiert, die 2015 und 2016 im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts in Kanada gemacht wurden. Zusätzlich werteten sie die Daten der Swarm-Satelliten der ESA aus, denen es gelungen war, „Steve“ auf frischer Tat zu ertappen.
Eine ganz neue Art
Jetzt gibt es neue Erkenntnisse über den geheimnisvollen „Steve“. Anhand der Fotos bestätigen die Forscher, dass „Steve“ tatsächlich eine neue Form des Polarlichts darstellt. Unter Beibehaltung seines Spitznamens geben sie ihm daher nun die offizielle Bezeichnung: „Strong Thermal Emission Velocity Enhancement“, kurz STEVE.
Wie die Daten der Swarm-Stelliten enthüllen, ist STEVE mit einem abrupten starken Anstieg der Temperatur und einem starken Westwärts-Fluss von Ionen in der oberen Atmosphäre verknüpft. Auf der Äquatorseite des Aurorenbogens registrierten die zudem eine deutliche Abnahme der Elektronendichte, auf der polwärtigen Seite dagegen eine Zunahme.
Ionenjets und offene Fragen
„All diese Merkmale stimmen gut denen einer subauroralen Ionendrift (SAID) überein“, berichten MacDonald und ihre Kollegen. „Diese auch als Polarisations-Jets bekannten Phänomene sind vorübergehende Ereignisse, bei denen Ionen mit Überschallgeschwindigkeit und in einem eng begrenzten Streifen nach Westen rasen.“ Ähnlich wie STEVE kommen diese Jets zudem häufig auch südlich der normalen Polarlichtgebiete vor.
Seltsam jedoch: Bisher galten diese SAIDs als unsichtbar – optische Erscheinungen wurden in Verbindung mit diesen atmosphärischen Ionenströmen noch nie zuvor beobachtet. „Die charakteristisch roten und grünen Farben, die STEVE innerhalb von einer Stunde entwickeln kann, lassen sich im Zusammenhang mit SAIDs bisher nicht erklären“, konstatieren die Forscher. Das Geheimnis von STEVE ist damit bisher nur zum Teil gelüftet – weitere Forschungen sind nötig. (Science Advances, 2018; doi: 10.1126/sciadv.aaq0030)
(AAAS, 15.03.2018 – NPO)