Geowissen

Neue Todeszone im Indischen Ozean

Golf von Bengalen steht auf der Kippe

Schiffe auf dem Golf von Bengalen: Dass unter Wasser eine Todeszone liegt, sieht man dem Meer nicht an. © Shahidul Hasan Roman / CC-by-sa 3.0

Kein Leben mehr: Im Golf von Bengalen haben Forscher eine neue „Todeszone“ entdeckt. In Wassertiefen unterhalb 100 Meter gibt es dort kaum mehr Sauerstoff im Wasser – und auch kein Leben. Nur noch winzige Reste des Atemgases verhindern, dass dort eine weitere Folge solcher Todeszonen auftritt: Die Freisetzung großer Mengen Stickstoffgases durch anaerobe Bakterien. „Der Golf steht an einem Kipppunkt“, warnen die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.

In immer mehr Meeresgebieten der Erde breiten sich sauerstoffarme Zonen aus – „Todeszonen“, in denen Meerestiere nicht mehr leben können. Solche Gebiete gibt es unter anderem im Schwarzen Meer, im Golf von Mexiko, mitten im Atlantik, aber auch in der Ostsee. Ursache des Sauerstoffmangels ist meist eine Kombination aus Überdüngung, geringem Wasseraustausch und Wärme.

Sauerstoffmangel auf 60.000 Quadratkilometer

Laura Bristow von der Universität von Süddänemark und ihre Kollegen haben nun eine weitere Todeszone aufgespürt. Sie liegt im Golf von Bengalen und erstreckt sich über geschätzt 60.000 Quadratkilometer. Das entspricht fast der Größe Bayerns. In diesem Meeresgebiet zwischen dem Nordosten Indiens, Bangladesch, Myanmar und Thailand gibt es in Wassertiefen zwischen 100 und 400 Metern kaum noch Sauerstoff.

Dieses Gebiet ist von Flussdeltas und enormen Einströmen organischen Materials von den Ballungsräumen entlang der Küsten geprägt. Zusammen mit relativ hohen Wassertemperaturen bietet dies klassische Voraussetzungen für eine Todeszone. Ein typisches Merkmal fehlt allerdings im Golf von Bengalen: ein übermäßiger Stickstoffschwund.

Warum kein Stickstoffschwund?

„Der Golf von Bengalen war lange Zeit ein Rätsel, weil Standardtechniken zwar keinen Sauerstoff in diesen Gewässern fanden, es aber gleichzeitig keine Hinweise auf übermäßigen Stickstoffschwund gab, wie sonst in Sauerstoffminimumzonen üblich“, erklärt Bristow. Typischerweise wandeln die in den Todeszonen florierenden Mikroben den als Nährstoff wichtigen Stickstoff in flüchtiges Stickstoffgas um – und dieses entweicht.

Der Golf von Bengalen ist von dicht besiedelten Küsten umgeben. © NASA

„Die Sauerstoff-Mangelregionen sind für 20 bis 40 Prozent des Stickstoffverlusts der Ozeane verantwortlich, obwohl sie nur rund ein Prozent des Meeresvolumens ausmachen“, erklären die Forscher. Im Falle des Golfs von Bengalen schien trotz aller anderen Kennzeichen einer Todeszone dieser Stickstoffschwund aber zu fehlen.

Gebremster Elan

Warum haben die Wissenschaftler nun aufgeklärt: Wie die Messungen ergaben, gibt es in der Todeszone des Golfs von Bengalen noch winzige Sauerstoffreste – in Größenordnungen von wenigen Dutzend Nanomol und damit unter der Nachweisgrenze der meisten normalen Sensoren. Diese winzigen Sauerstoffmengen reichen zwar nicht aus, um tierisches Leben zu ermöglichen, sie halten aber die anaeroben Mikroben in Schach.

Der Restsauerstoff oxidiert Nitrit und verringert damit das „Futter“ für die denitrifizierenden Bakterien. Dadurch produzieren diese Mikroben Stockstoffgas nur mit gebremstem Elan, wie die Forscher erklären: „Wir haben im Golf von Bengalen diese verrückte Situation, dass die Mikroben sehr viel mehr Stickstoff entfernen könnten, als sie es tatsächlich tun, weil die Spuren von Sauerstoff sie davon abhalten“, sagt Bristow.

„An einem Kipppunkt“

Sollte sich die Situation aber verändern, könnte dieses Meeresgebiet einen für die Meeresumwelt gravierenden Verlust von Stickstoff verursachen. „Der Golf von Bengalen ist an einem Kipppunkt“, warnt Bristow. Wenn auch die letzten Spuren des Sauerstoffs aus diesem Meeresgebiet verschwinden, könnte der Golf zu einem der Global Player“ im Stickstoffschwund der Meere werden, so die Forscherin.

Angesichts der wachsenden Bevölkerung entlang der Küsten rund um den Golf von Bengalen könnte das „Umkippen“ des Meeresgebiets nicht mehr fern sein, befürchten die Forscher. Denn die vermehrte Einleitung von mit Düngemitteln verunreinigtem Wasser, aber auch der Klimawandel und der Monsun könnten die Sauerstoffschwund verstärken. (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2847)

(University of Southern Denmark, 06.12.2016 – NPO)

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