Forscher haben einen neuen Antikörper-Test entwickelt, der Rückstände der Anti-Baby-Pille im Wasser preiswert und sicher nachweist.
Sexualhormone im Wasserkreislauf werden unter anderem als „Spermienkiller“ verdächtigt. Sie wirken schon in äußerst geringen Konzentrationen, die nur mit großem Aufwand nachzuweisen sind. Wissenschaftler der Universität Bonn haben nun in Zusammenarbeit mit der Dresdner Biotech-Firma quo data einen Antikörper-Test entwickelt, der um den Faktor zwanzig kostengünstiger ist als bisher eingesetzte Nachweis-Methoden. Das Messgerät ist zudem extrem einfach und sicher in der Handhabung.
Rückstände der Anti-Baby-Pille
Zumindest bei Fischen ist inzwischen gut dokumentiert, dass Rückstände der Anti-Baby-Pille im Wasser bei ihnen großen Schaden anrichten können: Männliche Forellen werden weniger fruchtbar, junge Brassen bilden in ihrem Hoden plötzlich Eizellen, bei Karpfen verschiebt sich das Geschlechterverhältnis zu Gunsten weiblicher Tiere. Auch dass in westlichen Industrieländern die Spermienzahl bei Männern seit Jahrzehnten sinkt, ist vielleicht der Wirkung künstlicher Östrogene zuzuschreiben. Immerhin scheinen Mäusespermien unter dem Einfluss östrogenähnlicher Chemikalien schneller zu reifen und ihre Fruchtbarkeit zu verlieren.
„Die Crux vieler Medikamente ist, dass sie im Körper nur langsam abgebaut werden“, erklärt Rudolf J. Schneider vom Bonner Institut für Pflanzenernährung. Das gilt auch für die Wirkstoffe in der Anti-Baby-Pille: Ein großer Teil des darin enthaltenen künstlichen Östrogens Ethinylestradiol (EE2) wird von den Frauen mit dem Urin unverändert ausgeschieden, gelangt ins Abwasser und von dort in die Kläranlagen. „Im Kläranlagenablauf liegt die EE2-Konzentration zum Teil um den Faktor 50 über dem Schwellenwert, bei dem in Regenbogenforellen Effekte nachzuweisen sind“, so der Forscher. Dr. Schneider hat nun zusammen mit seiner Mitarbeiterin Therese Hintemann und der Firma quo data in Dresden in einem aus EU-Mitteln geförderten Projekt ein Gerät entwickelt, das sowohl EE2 als auch das natürliche Östrogen 17ß-Östradiol (E2) noch in winzigen Spuren nachweisen kann.
Das Problem: E2 und EE2 wirken noch in unvorstellbar kleinen Konzentrationen von weniger als einem Milliardstel Gramm pro Liter – würde man zwei Kilopakete Zucker in den Chiemsee schütten und kräftig rühren, käme man auf eine ähnliche Verdünnung. „Der exakte Nachweis solch kleiner Mengen ist selbst mit teurer Technik eine Herausforderung“, so Schneider. Zudem können schon kleine Ungenauigkeiten bei der Vorbereitung und Analyse der Proben das Ergebnis erheblich verfälschen. Ziel der Projektpartner war daher eine empfindliche, kostengünstige und vor allem „narrensichere“ Alternativmethode, die auch von Nicht-Fachkräften einfach zu handhaben ist.
ELISA-Test
Dazu greifen die Entwickler auf ein bewährtes Messprinzip zurück: Beim so genannten ELISA-Test bindet die nachzuweisende Substanz – in diesem Fall also beispielsweise das EE2 – an hochspezifische Antikörper. Es konkurriert dabei mit einer chemisch veränderten EE2-Variante, die nach Zugabe von einer Art Indikator eine Farbreaktion auslösen kann. Je mehr EE2 in der Probe ist, desto mehr Antikörper kann es blockieren. Entsprechend weniger Platz bleibt also für die modifizierte EE2-Version; die Farbreaktion fällt gering aus. Ein optischer Sensor misst nun die Färbung, aus der das Gerät dann die EE2-Konzentration in der Probe errechnen kann – soweit die Theorie.
In der Praxis sieht das jedoch erheblich komplizierter aus: „Wenn man dieselbe Probe mehrmals misst, die verschiedenen Reagenzien aber nicht exakt nach derselben Zeitspanne zugibt, können die Ergebnisse sehr unterschiedlich ausfallen“, erklärt Therese Hintemann. Im Labor führt man derartige ELISA-Tests üblicherweise auf Antikörper-beschichteten Mikrotiterplatten durch, die knapp hundert winzige Vertiefungen aufweisen – eine pro Messung. So empfindlich ist die Methode, dass selbst der Ort der Messung – also welche Vertiefung genommen wird – das Ergebnis beeinflussen kann. „Unser ESTR-A-LISER misst daher jede Probe mehrmals und wählt dabei die entsprechende Vertiefung auf der Mikrotiterplatte nach dem Zufallsprinzip“, so die Doktorandin am Institut für Pflanzenernährung. Weitere Testverbesserungen, an denen auch ihr Kollege Christian Schneider mitwirkte, und eine spezielle statistische Auswertemethodik, die von quo data entwickelt wurde, ermöglichen eine Steigerung der Messempfindlichkeit um den Faktor 10. Zudem eicht sich das Gerät jedes Mal vor einer Messung selbst, indem es eine Reihe von Standard-Konzentrationen misst.
Ergebnisse schon nach drei Stunden
Das alles funktioniert dank des neuartigen Geräteprinzips und der von der quo data programmierten Computersteuerung voll automatisch – Standardlösungen und bis zu acht Proben in das Probenrack, Klappe zu, und nach drei Stunden liegen die Ergebnisse vor. Unter zehn Euro kostet eine Mehrfachanalyse mit dem ESTR-A-LISER; herkömmliche High-End-Methoden sind mit etwa 200 Euro pro Einzelprobe erheblich teurer. Das Umweltbundesamt Wien sowie das chemische Institut der Universität Aveiro in Portugal testen das Gerät momentan im rauen Praxisalltag – „alles Anwender, die mit den Tücken von ELISA-Tests nicht vertraut sind“, verrät Dr. Schneider. „Denn gerade Nicht-Fachleute sollen ja vom ESTR-A-LISER profitieren.“
Vom 11. bis zum 14. Mai präsentieren die Projektpartner ihre Neuentwicklung, die sie inzwischen zum Patent angemeldet haben, auf der Analytica, der Weltfachmesse für Analytik, in München.
(idw – Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 10.05.2004 – DLO)