Eine Expedition zum mitten zwischen Europa und Nordamerika gelegenen Mittelatlantischen Rücken hat nicht nur faszinierende Bilder vom Meeresgrund und seiner Lebenswelt zurückgebracht, sondern auch einige seltene und sogar bisher unbekannte Arten entdeckt.
Die Tiefsee entlang des unterseeischen Gebirges, das die Nahtstelle zwischen den Krustenplatten Europas und Amerikas markiert, ist bisher weitestgehend unerforscht. Erst seit kurzem existiert die Technologie, um die Lebenswelt in diesen Tiefen und in dem zerklüfteten Terrain zu erkunden. Ein Team von 31 Wissenschaftlern war nun für fünf Wochen auf dem Forschungsschiff „James Cook” unterwegs, um den Meeresgrund entlang des Mittelatlantischen Rückens zwischen Island und den Azoren zu erkunden. Die Forscher kartierten dabei knapp 2.500 Quadratkilometer des Meeresbodens und nutzen modernste Unterwassertechnologie, darunter auch acht Spezialkameras, um Tiefseeorganismen zu erforschen und identifizieren.
Ziel der Expedition war es, einerseits zum Census of Marine Life beizutragen, einer zehnjährigen Initiative um die Vielfalt, Verteilung und Häufigkeit des Lebens in den Meeren der Erde zu bestimmen. Zum anderen war die Forschungsreise Teil des Projekts MAR-ECO, das speziell die Artenvielfalt entlang der mittelozeanischen Rücken erforscht.
„Wie ein neuer Kontinent“
Die Ergebnisse der Expedition haben bereits jetzt die Erwartungen weit übertroffen. Die Wissenschaftler erhielten faszinierende Einblicke in die Unterwasserwelt und stießen auf eine Fülle von neuen oder seltenen Arten. „Es gleicht der Erkundung eines neuen Kontinents, auf halbem Wege zwischen Amerika und Europa gelegen“, erklärt Monty Priede, Leiter des Oceanlab der Universität von Aberdeen. „Wir erkennen die Lebewesen, aber die vertrauten sind abwesend und ungewöhnliche häufen sich. Wir finden hier Arten, die in anderen Regionen der Welt selten oder unbekannt sind.“
Dort unten, an der Basis des mächtigen Unterseegebirges überziehen farbenprächtige Schwämme und Korallen felsige Vorsprünge, Sedimentzungen werden von Seesternen, Seegurken und zahlreichen Wurmarten bevölkert, die wiederum Fischen, Krebsen und Krabben einen reich gedeckten Tisch bescheren. Mithilfe ihrer Greifzangen, Netze und Bohrer brachten die Wissenschaftler tausende von Exemplaren und anderen Proben für eine nähere Untersuchung an Bord. Sie werden nun in Laboren an Land analysiert. Schon jetzt halten es die Forscher für wahrscheinlich, dass sie mindestens eine neue Art von Muschelkrebsen entdeckt haben.
Automatische Unterseeobservatorien ausgesetzt
„Der Mittelatlantische Rücken ist noch immer relativ unerforscht, daher hat diese Reise eine entscheidende Rolle dabei gespielt, unser Wissen über die Biodiversität dieser Region zu erweitern“, erklärt Steven Wilson, Leiter der Wissenschaftsabteilung des Natural Environment Research Council Großbritanniens. Die Expedition erbrachte nicht nur neue Erkenntnisse über die Organismenvielfalt, sondern auch über die Bedingungen, die dort in den Tiefen herrschen. Die Forscher führten tägliche Messungen von Wasserströmungen, Temperaturen, Produktivität und anderen Parametern durch und hinterließen sechs mit automatischen Messgeräten ausgerüstete Unterseeobservatorien an verschiedenen Positionen am Meeresboden. 2008 und 2009 sind weitere Expeditionen geplant, die dann unter anderem diese Mess-Stationen wieder einsammeln und deren Daten auswerten sollen.
(Census of Marine Life, 20.08.2007 – NPO)