Die Landwirtschaft nutzt Klärschlamm als Dünger. Doch neben Pflanzennährstoffen wie Phosphor enthält Klärschlamm auch Schadstoffe. Bislang waren dabei besonders die Schwermetalle – wie Kupfer oder Zink – im Blick. Diesen wird man erweitern müssen, denn eine Untersuchung von 51 Klärschlämmen im Auftrag des Umweltbundesamt hat gezeigt: Mit der Ausbringung von Klärschlamm auf die Äcker können auch organische Schadstoffe – wie Tributylzinn – ins Grundwasser gelangen.
Auch Hygieneanforderungen nicht ausreichend
Auch die existierenden Hygieneanforderungen genügen offensichtlich nicht immer nicht den Ansprüchen an einen qualitativ hochwertigen Dünger. Die Ergebnisse der Untersuchung der wave GmbH in Verbindung mit dem Gutachterbüro terrAquat und der Universität Stuttgart bestätigen das Umweltbundesamt in seiner Auffassung: Soll Klärschlamm als Dünger genutzt werden, müssen vorsorge- und schutzgutorientierte Anforderungen erfüllt werden.
Dies bedeutet – neben weitergehenden Regelungen bei Schwermetallen-, dass auch bei organischen Schadstoffen und der Hygiene anspruchsvollere Anforderungen eingehalten werden müssen. Die Wissenschaftler untersuchten 51 Klärschlämme kommunaler Kläranlagen auf die Gehalte von Organozinnverbindungen, Lineare Alkylbenzolsulfonate, Nonylphenol, Mineralölkohlenwasserstoffen (MKW) und Chlorparaffine. Dabei zeigten sich große Schwankungsbreiten bei den Gehalten an MKW, die mit dem Anteil an gewerblichen Abwässern korrespondierten – je höher deren Anteil an der Abwassermenge, desto höher ist auch der MKW- Gehalt.
Für die Gruppe der Organozinnverbindungen wurde zwar insgesamt ein spürbarer Rückgangim Vergleich zu Messungen aus dem Jahr 1995 verzeichnet, der darauf zurückzuführen ist, dass durch Verbote und Produktionsumstellungen in Europa insbesondere der Eintrag von Tributylzinnverbindungen (TBT) in die Umwelt stark reduziert wurde. Aber dieser Rückgang reicht noch nicht aus, um eine Entwarnung hinsichtlich aller Organozinnverbindungen zu geben.
Belastbarkeit der Böden untersucht
Die Untersuchungen lieferten auch Erkenntnisse darüber, inwieweit Böden, Grundwasser oder Pflanzen durch die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung mit Organozinnverbindungen und MKW belastbar sind. Dazu wurden Böden mit stark belastetem Klärschlamm (2 Milligramm pro Kilogramm Trockensubstanz) beaufschlagt und sowohl Säulenversuche im Labor als auch Feldversuche unter Praxisbedingungen durchgeführt. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass bis zu etwa einem halben bis knapp über zwei Prozent des im Klärschlamm enthaltenen TBT bereits in kurzer Zeit in Bodenschichten bis zu 80 Zentimeter Tiefe verlagert wurden. Das entspricht einer geschätzten Konzentration von 0,3 bis 2,8 Mikrogramm TBT pro Liter Sickerwasser.
Der Durchbruch der Organozinnverbindungen in den Säulen- und Feldversuchen lässt vermuten, dass diese auch in noch tiefere Bodenschichten bis hin ins Grundwasser verlagert werden können. Obwohl die Versuchsbedingungen nicht exakt dieselben waren wie beim Test von Pflanzenschutzmitteln ist dies doch als eine hohe Konzentration einzustufen. Zum Vergleich: Für Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe gilt im Trinkwasser ein Grenzwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter Wasser. Der auf ökotoxikologischer Grundlage abgeleitete Geringfügigkeits-Schwellenwert für das Grundwasser beträgt sogar nur 0,001 Mikrogramm TBT pro Liter.
Neben den Ergebnissen zu den organischen Schadstoffen ergaben die Feldversuche noch ein weiteres, überraschendes Ergebnis: Die mit dem Klärschlamm einer bestimmten Abwasserbehandlungsanlage beaufschlagten Flächen wiesen einen starken Aufwuchs von Tomatenpflanzen auf. Dies lässt auf eine mangelnde Hygienisierung des Klärschlamms schließen, denn: Wäre die Abwasserbehandlung hygienisch ausreichend, wären die Tomatensamen soweit geschädigt, dass sie nach Ausbringung des Klärschlammes auf die Felder nicht mehr ausgekeimt wären.
(idw – Umweltbundesamt (UBA), 20.07.2004 – DLO)