Der Motor der Meeresströmungen im Nord-Atlantik ist weitaus komplexer als bisher angenommen. Statt einer einzigen monolithischen „Umwälzpumpe”, die warmes Wasser nach Norden und kaltes Tiefenwasser nach Süden fließen lässt, folgen die Strömungswirbel im Nord- und Südbereich des Meeres eigenen Mustern. Das zeigt eine jetzt in „Nature Geoscience“ veröffentlichte Studie. Es gibt weder bei Temperatur, noch bei Salzgehalt oder Strömungsstärke einen einheitlichen, langfristigen Trend.
Der Nordatlantik spielt eine wichtige Rolle als Umwälzpumpe des Meeres und damit auch für die Speicherfähigkeit des Ozeans für Kohlendioxid. Denn die meridionale Umwälzzirkulation (MOC) sorgt unter anderem dafür, dass CO2-reiches Oberflächenwasser in die Tiefe gelangt und das Treibhausgas damit für längere Zeit nicht mehr direkt an die Atmosphäre abgegeben wird. Doch in den letzten Jahren wächst die Besorgnis darüber, dass sich diese Umwälzströmung durch die Erwärmung der Meere verändern und abschwächen könnte. Bisherige Studien und Modelle lieferten dazu allerdings widersprüchliche Ergebnisse – unter anderem deshalb, weil starke mehrjährige Variationen den Langzeittrend überlagern.
Um ein klareres Bild zu gewinnen, haben nun Wissenschaftler der amerikanischen Duke Universität und der Universität von Liverpool in Großbritannien, alle im Nordatlantik zwischen 1950 und 200 gesammelten hydrographischen Daten zusammengetragen und unter Hinzunahme eines Modells erneut analysiert. Ihr Fokus lag dabei vor allem auf zeitlichen, aber auch räumlichen Variationen in Temperatur, Salzgehalt, Dichte und Meereshöhe.
Deutliche Nord-Süd-Unterschiede
Die Daten zeigen, dass sich die Entwicklungen im subtropischen und im weiter nördlich gelegenen subpolaren Atlantik deutlich unterscheiden. Der südliche Strömungswirbel wurde salziger und wärmer. Normalerweise führt eine Erhöhung des Salzgehalts zu einer erhöhten Dichte des Wassers, eine Erwärmung dagegen zu einem leichter werden. In diesem Falle jedoch nahm die Dichte insgesamt leicht ab. Der subpolare Strömungswirbel kühlte sich im gleichen Zeitraum ab, gleichzeitig sank sein Salzgehalt. Auch hier jedoch wurde die Dichte insgesamt gesehen geringer.
„Die allgemeine Abnahme der Dichte des Meerwasser bedeutet, dass der Einfluss des Süßwassereinstroms im subpolaren Strömungsbecken gegenüber der Abkühlung überwiegt“, erklären die Forscher. „Im subtropischen Strömungswirbel hat die Erwärmung dagegen die Versalzung überholt.“
Oszillationen nicht im Gleichtakt
Auch in der zeitlichen Entwicklung dieser Parameter in beiden Meeresbereichen gab es deutliche Differenzen: Der Norden oszillierte in einem annähernd dekadischen Rhythmus, angetrieben unter anderem durch die Nord-Atlantik Oszillation (NAO), während der subtropische Strömungswirbel viel kürzeren, oft jährlichen Intervallen schwankte. „Am auffallendsten ist die räumliche Trennung zwischen den subtropischen und subpolaren Strömungswirbeln und die zeitliche Trennung zwischen Perioden von schwachen und starken NAO-Einflüssen“, erklären die Autoren.
Bild der monolithischen Strömung nicht haltbar
Aber was sind die Konsequenzen dieser Dichteveränderungen? Nach gängiger Lehrmeinung ist der Dichteunterschied zwischen dem warmen Wasser der Subtropen und dem kalten Tiefenwasser der Antrieb für die meridionale Umwälzströmung, nimmt er ab, dann schwächt sich auch der Transport des Meerwassers ab. Doch die neue Modellierung auf Basis der Daten ergab auch hier kein einheitliches Bild. So zeigten sich im Osten und Westen des Meeresbeckens unterschiedliche Entwicklungen und auch die beiden Strömungswirbel ließen keine einheitliche Interpretation zu.
Nach Ansicht der Wissenschaftler kann die Atlantische Umwälzströmung daher nicht mehr als monolithische, das gesamte Meeresbecken umfassende Strömungszelle gesehen werden, sondern muss differenzierter betrachtet werden. „Das kanonische Bild der MOC-Veränderungen über das gesamte Nordatlantik-Becken hinweg, kann nicht mehr gehalten werden“, so das Fazit der Forscher. Auch die in den 50 Jahren beobachteten Veränderungen reflektieren daher möglicherweise weniger einen konsistenten Klimatrend, als vielmehr eine komplexere Klimavariabilität, die noch weitaus genauer untersucht werden muss.
(Nature, 13.09.2010 – NPO)