Verschobener Strömungsmotor: Der Klimawandel könnte die atlantische Umwälzströmung nicht nur schwächen, sondern auch verschieben, wie eine Simulation nun nahelegt. Die großen Absinkzonen warmen Wassers lägen dann nicht mehr vor Grönland wie heute, sondern im Nordpolarmeer und im subtropischen Atlantik. Das jedoch könnte die Strömung stark beeinflussen – und auch den Wärmeaustausch und die Pufferwirkung des Ozeans verändern, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichten.
Im Nordatlantik liegt die Umwälzpumpe für die großen Meeresströmungen im Ozean – und ein Hauptakteur im Klimasystem. Denn dort stürzt warmes Oberflächenwasser aus dem Süden in die Tiefe und strömt als kaltes Tiefenwasser zurück Richtung Äquator. Die Atlantische Meridionale Umwälzströmung (AMOC) dient damit als Motor des Wärmeaustauschs und ist über Golfstrom und Nordatlantikstrom auch für das milde Klima Europas verantwortlich.
„Die potenziellen Veränderungen in der Intensität und Lage der Umwälzpumpe in Zeiten des Klimawandels vorherzusagen, ist daher von allergrößter Bedeutung für unser Wissen über die künftige Entwicklung des Klimasystems“, erklären Camille Lique von der Universität Brest und Matthew Thomas von der Yale University.
Partikelströme im Ozeanmodell
Bekannt ist bereits, dass sich die Umwälzströmung in den letzten Jahrzehnten a href=“https://www.scinexx.de/wissen-aktuell-22625-2018-04-12.html“>abgeschwächt hat. Als Ursache dafür gelten das durch den Klimawandel vermehrt einströmende Schmelzwasser, aber auch das schwindende Meereis. Beides trägt dazu bei, die Durchmischung des Wassers im Nordatlantik zu hemmen.
Doch wie sich jetzt zeigt, könnte sich auch Lage der Absinkgebiete im Nordatlantik verändern. In ihrer Studie haben Lique und Thomas ein hochauflösendes Klima-Ozeanmodell genutzt, um die Quellregionen der Umwälzströmung genauer einzugrenzen. Sie gaben dafür virtuelle Partikel an verschiedenen Stellen ins Meer und folgten in der Simulation ihrem Weg mit den Strömungen. Dadurch konnten sie die Zonen der vertikalen Durchmischung und damit die Umwälzpumpen der AMOC identifizieren.
Um herauszufinden, wie sich diese Quellzonen mit dem Klimawandel verändern, ließen die Forscher diese Simulationen sowohl unter präindustriellen Bedingungen als auch unter stark erhöhten Treibhausgaswerten ablaufen.
Absinkzonen wandern nach Norden und Süden
Das Ergebnis: Momentan findet das Absinken des warmen Oberflächenwassers fast ausschließlich in den Meeresregionen rund um Grönland statt: Vor allem in der Labradorsee und Irmingersee an der Südspitze der Insel herrschen Bedingungen, die die vertikale Durchmischung des Meerwassers erleichtern. In geringerem Maße tragen auch weiter nördlich liegende Meeresgebiete zur Umwälzung bei, wie die Forscher berichten.
Anders ist dies jedoch in einem Szenario mit starkem Klimawandel: „Unter diesen Bedingungen kollabiert der Beitrag der subpolaren Meeresgebiete zur marinen Subduktion nahezu vollständig“, so Lique und Thomas. Stattdessen tragen nun neue Meeresbereiche in höheren und niedrigeren Breiten vermehrt zur Umwälzströmung bei: Das Absinken des Warmwassers verlagert sich teilweise in das Nordpolarmeer, teilweise aber auch in die gemäßigten und sogar subtropischen Breiten.
Große Bedeutung, aber viele offene Fragen
„Bisher hat man angenommen, dass die Mechanismen, die heute die Stärke der Umwälzströmung bestimmen, sich auch in wärmerem Klima nicht ändern“, so die Forscher. „Doch unsere Ergebnisse stellen dieses Paradigma nun in Frage.“ Denn mit der Verlagerung der ozeanischen Absinkzonen könnte künftig auch andere oder zusätzliche Mechanismen und Einflussfaktoren zum Tragen kommen.
Ähnlich sieht es auch Veronica Tamsitt von der University of New South Wales in einem begleitenden Kommentar: „Neue Quellregionen für die AMOC hätten wahrscheinlich andere Wärme- und Kohlenstoff-Austauschraten mit der Atmosphäre“, schreibt sie. Das könnte künftig auch das Klimasystem als Ganzes beeinflussen. „Die Entdeckung dieser sich verlagernden Fenster in den tiefen Ozean bringt viele neue Fragen mit sich“, so Tamsitt. „Um die volle Bedeutung zu erfassen, müssen wir nun weiter forschen.“ (Nature Climate Change, 2018; doi: 10.1038/s41558-018-0316-5)
(Nature, 23.10.2018 – NPO)