Nicht nur die Nordostpassage entlang Russlands Nordküste wird durch den Klimawandel immer häufiger eisfrei – auch der Weg direkt über den Pol könnte sich ab 2040 für eisgängige Schiffe im Sommer öffnen. Das haben US-amerikanische Forscher jetzt mittels Eis- und Klimamodellen ermittelt. Damit wird der Weg von Europa nach Asien für Frachter nicht nur erheblich kürzer, sie vermeiden auch die teure Transitgebühr, die Russland bisher für Passagen entlang der Nordostpassage erhebt. Der zunehmende Schiffsverkehr sei wirtschaftlich positiv, die Umweltgefahren für das sensible Nordmeer aber besorgniserregend, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Der August 2008 markiert einen historischen Rekord: Zum ersten Mal waren in diesen Sommer sowohl die Nordostpassage als auch die oberhalb von Nordamerika entlang führende Nordwestpassage gleichzeitig eisfrei. Die östliche Route blieb auch in den Folgejahren immer wieder für einige Tage oder Wochen befahrbar – 2010 nutzten diese Transitroute in den fernen Osten immerhin bereits zehn Frachter, 2012 sogar 46. Und die Abkürzung über den hohen Norden lohnt sich: Zwar verlangt Russland eine saftige Gebühr für die Passage und den Begleitservice mit Eisbrechern, dafür aber sind Schiffe auf der Strecke vom niederländischen Rotterdam bis ins japanische Yokohama nur noch 20 Tage unterwegs, statt 33 wie bei der südlichen Route über Suezkanal und Indischen Ozean.
Ab wann lohnen sich die Passagen als reguläre Routen?
Der Klimawandel fördert diesen Trend: Seit 1979 schrumpft das Meereis der Arktis nahezu kontinuierlich, wie Laurence Smith und Scott Stephenson von der University of California in Los Angeles berichten. Klimaforscher sagen voraus, dass bis zum Ende dieses Jahrhunderts das Nordpolarmeer im Sommer eisfrei sein könnte. „Diese Prognosen haben unzählige Spekulationen über kürzere internationale Schiffsrouten zwischen Atlantik und Pazifik ausgelöst“, erklären die Forscher. Die Reederei-Branche sitze quasi in den Startlöchern. Doch bisher gebe es keine konkreten Prognosen darüber, ab wann es sich lohnen könnte, die beiden Meerespassagen als reguläre Route einzuplanen. Diese Berechnungen haben Smith und Stephenson nun nachgeholt.

Für ihre Studie kombinierten die Forscher ein Modell der arktischen Eisdicke und Eisausdehnung mit sieben verschiedenen Klimamodellen. Mit diesen simulierten sie jeweils ein gemäßigtes und ein Worst-Case-Szenario mit stark steigenden Treibhausgas-Emissionen. Für die Zeitperioden 2006 bis 2015 und von 2040 bis 2059 ermittelten die Wissenschaftler dann, wie sich das arktische Meereis jeweils im September, der Zeit der geringsten Eisausdehnung, entwickelt. „Wir haben dabei jeweils die optimale Route für ein hypothetisches Schiff gesucht, das von Rotterdam aus bis in die Beringstraße und den Pazifik fahren möchte“, erklären die Forscher.