Auch in der Nordsee ist der Klimawandel längst angekommen. Wieder ist das Meer viel zu warm für diese Jahreszeit, wie neue Messungen zeigen. Zwar spielt auch das annormal warme Wetter in diesem Sommer und Herbst dafür eine Rolle, doch die Häufung der Warmrekorde weist nach Ansicht von Klimaexperten auf einen längerfristigen Trend hin.
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Die Temperatur in der Nordsee lag mit durchschnittlich 14,2 Grad im Oktober 2006 um 2,4 Grad über dem langjährigen Mittelwert von 1968 und 1993, erklärte Dr. Hartmut Heinrich, im Bundesmat für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) zuständig für Klimafragen, am Montag in Hamburg. Damit sei der bisherige Rekordwert von Oktober 2005 noch einmal um fast ein Grad übertroffen. Bereits ab 1993 ist ein kontinuierlicher Anstieg erkennbar. Mit durchschnittlich 0,13 Grad/Jahr stiegen die Temperaturen seitdem um insgesamt 1,7 Grad an.
Isoliert betrachtet ist der diesjährige nordseeweite Temperaturanstieg zunächst primär witterungsbedingt, eine Folge der extremen Hitzeperiode im Juli, als mit einem Anstieg der Wassertemperatur um 4,1 Grad der für diesen Sommermonat übliche Temperaturanstieg gleich um das Doppelte übertroffen wurde. Zudem hat der unverhältnismäßig warme September den eigentlich bereits im August einsetzenden saisonalen Temperaturrückgang teils gestoppt.
Rekorde werden die Regel
Aber dass diese aktuellen Rekordwerte keine Einzelfälle sind, die Warm-Anomalie vielmehr zur Regel wird, zeigen die Langzeitbeobachtungen des BSH. Bereits in den vergangenen zehn bis 15 Jahren ist den überdurchschnittlich warmen Oktobertemperaturen häufig ein entsprechend überdurchschnittlich warmer Sommer vorausgegangen. Danach befindet sich die Nordsee anhaltend seit 1988 in der längsten und intensivsten Warmphase, die seit Beginn der Messungen im Jahr 1873 beobachtet wurde, so Heinrich. Normalerweise hätte diese längst wieder von einer Kaltphase abgelöst werden müssen, so wie dies dem üblichen Wechseln zwischen Warm- und Kaltperioden etwa alle fünf bis 15 Jahre entspräche.
Warmstrom vom Atlantik
Die Nordsee als Nebenmeer des Nordatlantiks wird zudem, so die BSH-Experten, zusätzlich mit immer wärmerem Wasser aus dem Ozean versorgt, auch im Winter. Dieser Trend sei in den vom BSH analysierten Klimazeitreihen klar erkennbar. So zeige eine 18jährige Zeitreihe zur Wärmemenge in den oberen 750 Metern des Nordatlantiks ebenfalls einen deutlichen Anstieg der Wärmeinhalte. Ein ähnliches Vordringen von Warmwasserfronten aus dem subtropischen Bereich des Nordostatlantiks nach Norden bestätigen auch Daten aus dem globalen Ozeanüberwachungsprogramm ARGO, an dem das BSH beteiligt ist.
Der Lebensraum Nordsee werde sich aufgrund des Temperaturanstiegs, der den weltweiten Beobachtungen entspricht, spürbar verändern, betonte Heinrich abschließend. Verstärkt würden Meerestiere und -pflanzen aus der Biskaya in die Nordsee einwandern. Der Beginn des Klimawandels sei auch für die Nordsee nicht mehr von der Hand zu weisen.
(BSH, 14.11.2006 – NPO)