In der nahezu lichtlosen Tiefe des Yellowstone-Sees in Wyoming sind Forscher auf eine überraschende Oase des Lebens gestoßen. An einem am Seegrund liegenden geothermalen Schlot entdeckten sie eine reiche Besiedlung mit Moos, Würmern und Krebsen – und damit das erste Beispiel weltweit für eine solche Lebensgemeinschaft in einem Süßwassersee. Noch ist unklar, wie die Moose dort trotz Dunkelheit überleben können, vermutlich aber spielt das gas- und nährstoffreiche heiße Wasser des Unterwassergeysirs dafür die Schlüsselrolle.
Die geothermalen Schlote der Tiefsee gelten schon seit einigen Jahren als Hort einer wimmelnden Lebensgemeinschaft. Das hier aus dem Untergrund aufsteigende heiße, nährstoffreiche Wasser bietet unzähligen speziell angepassten Bakterien, Würmern, Krebstieren und auch Fischen eine Überlebensmöglichkeit inmitten der sie umgebenden stockfinsteren, kalten Unterwasserwelt des Meeres. Jetzt haben Wissenschaftler der Montana State Universität erstmals eine solche Lebensgemeinschaft auch an einem geothermalen Schlot im Süßwasser entdeckt und berichten darüber im Fachmagazin „Geobiology“.
Die Forscher stießen darauf, als sie den Grund des Yellowstone-Sees erkundeten. Der auf 2.357 Metern Höhe im gleichnamigen Nationalpark liegende Bergsee ist der größte See des vulkanisch sehr aktiven Yellowstone-Gebiets. Am Seegrund im nördlichen Teil des Sees liegen hunderte von aktiven und ruhenden geothermalen Schloten, so viel ist bereits seit rund 136 Jahren bekannt. Doch die nähere Umgebung und die Lebensgemeinschaften an diesen Vents sind erst jetzt erstmals mit Hilfe eines ferngesteuerten Unterwasserroboters näher erkundet worden.
Moos in lichtloser Tiefe
Dabei erlebten die Forscher mehr als 30 Meter unter der Seeoberfläche in der so genannten West Thumb Region eine Überraschung: Um einen der Schlote stießen sie auf Moose, die in einem Umkreis von rund 60 Zentimetern im stockdunklen Wasser siedelten. In ihm wiederum lebten Würmer und Krebse und einige weitere Arten. „Dieser Schlot scheint im Vergleich zu allen anderen bisher im See beobachteten Vents einzigartig darin zu sein, dass er von Pflanzen besiedelt wird“, erklären die Forscher in ihrer Studie.
Das dort entdeckte Fontinalis-Moos, ein im Wasser wachsendes Laubmoos mit kleinen, ovalen Blättern, war bisher nicht dafür bekannt, unter so ungewöhnlichen Bedingungen existieren zu können. Und auch ein dieses Moos als Lebensraum nutzender Wurm war bisher nicht bekannt.
Nährstoffgestöber als Lichtersatz?
Die Szenerie rund um den Unterwassergeysir gleicht eher einem Schneegestöber als einer idyllischen Oase: Mit dem Wasser des Schlots werden auch weißliche Silikat- und Aluminiummineralien ausgestoßen, schweben umher und sinken schließlich auf Moos und umgebende Bodenbereiche nieder. Das ohnehin schon in fast lichtlosem Dunkel wachsende Moos wird dadurch zusätzlich noch abgedeckt und erhält so noch weniger Licht als ohnehin schon.
Nach Ansicht der Forscher müssen die vom Schlot freigesetzten Nährstoffe der Schlüssel zum Überleben des Mooses unter diesen Bedingungen sein. Das Ventwasser ist gesättigt mit Kohlendioxid, Wasserstoff und anderen Gasen, enthält jedoch auch giftige Substanzen wie Arsen und Kadmium. Noch ist es ein Rätsel, wie die Moose in diesen Extremen gedeihen können.
Parallelen zu marinen Schloten
Die an diesem geothermalen Schlot entdeckte „Oase des Lebens“ ist die erste dieser Art im Süßwasser. Sie bietet daher auch wertvolle Möglichkeiten zum Vergleich mit bereits bekannten ähnlichen Habitaten im Meer. „Yellowstone ist eine sehr einzigartige Umwelt und einer der wenigen Orte in der Welt, in dem man einen hydrothermal aktiven See mit einer aktiven vulkanischen Region im Ozean vergleichen kann“, erklärt John Varley von der Montana State Universität.
„Die Ausbreitung von komplexen höheren Organismen in enger Verbindung mit einem geothermalen Schlot im Yellowstone See zeigt Parallelen zu der von marinen Tiefseeschloten bekannten“, so der Forscher. „Unseres Wissens ist dies jedoch der erste Beleg für so etwas in einem Süßwasser-Habitat.“
Die Wissenschaftler vergleichen die Vents im Yellowstone See mit Inseln im Meer. Jeder bietet andere Bedingungen in Bezug auf Temperatur, chemische Zusammensetzung des Wassers und Nährstoffreichtum. Weitere Studien sollen nun die Lebensgemeinschaften an diesen Vents vergleichen und auch den Genaustausch zwischen den einzelnen Schlotpopulationen untersuchen.
(Montana State University, 05.10.2010 – NPO)