Überraschend erfindungsreich: Die Bewohner der Osterinsel nutzten eine erstaunlich raffinierte Technik, um ihren Steinriesen die tonnenschweren Hüte aufzusetzen. Diese bis zu zwölf Tonnen schweren Steinzylinder wurden erst nach Aufrichten der Steinfiguren auf deren Köpfen deponiert. Um sie dort hinaufzubringen, verwendeten die Rapa Nui offenbar ein komplexes System aus Rampen und Seilen – ähnlich dem, mit dem heute versunkene oder gekenterte Schiffe aufgerichtet und geborgen werden.
Riesige Steinköpfe mit großen Nasen und langen Ohren: Die gewaltigen steinernen Moais der Osterinsel sind so berühmt wie geheimnisvoll. Denn bis heute spekulieren Forscher darüber, wozu diese gewaltigen Figuren einst dienten und wen sie darstellten. Klar scheint nur, dass die Erbauer der geheimnisvollen Statuen größtenteils polynesischen Ursprungs waren, wenngleich es auch Einflüsse aus Südamerika gab.
Das Rätsel der Hüte
„Von den vielen Fragen, die die Vergangenheit der Osterinsel betreffen, stechen zwei heraus: Wie bewegten die Bewohner der Insel die enormen Statuen und wie platzierten sie die schweren Steinhüte auf deren Köpfen“, sagt Koautor Carl Lipo von der Binghamton University. Denn die Köpfe einiger Moai werden von bis zu zwölf Tonnen schweren Zylindern aus rötlichem Vulkangestein geziert.
Diese nur lose aufliegenden „Hüte“, Pukao genannt, müssen den Figuren aufgesetzt worden sein, nachdem sie aufgerichtet wurden. „Diese tonnenschweren Steinobjekte wurden in einem separaten Steinbruch gefertigt, über die Insel transportiert und dann irgendwie auf die Köpfe der bereits stehende Statuen gehievt“, so Lipo. Aber wie?
Spurensuche an den Pukao
Genau dies haben nun Lipo und sein Team näher untersucht. Für ihre Studie untersuchten und vermaßen sie 50 auf der Osterinsel gefundene Pukaos und 13 Zylinder aus dem roten Vulkangestein, die noch in einem der Steinbrüche der Insel gefunden wurden. Auf Basis dieser Daten, darunter kleinster Kerben oder Verformungen der Gesteinsoberfläche, erstellten sie Modelle, mit denen sie verschiedene mögliche Transport- und Hebetechniken simulierten.
„Unter den vergangenen Ideen für den Pukao-Transport sind ein Hinaufschieben mittels hölzerner Rampen oder die allmähliche Hebung durch Errichten eines Steinhaufens unter dem Pukao“, erklärt Erstautor Sean Hixon von der Pennsylvania State University. „Aber entscheidend ist es, ein Transportszenario zu finden, dass auch zu den archäologischen Funden passt.“
Technik wie bei der Costa Concordia
Das Ergebnis: Die Merkmale der Hüte sprechen dafür, dass die Rapa Nui die tonnenschweren Steinzylinder zunächst vom Steinbruch zu den Figuren rollten. Dann jedoch setzten sie eine überraschend raffinierte und effektive Technik ein: das sogenannte Parbuckling. Sie wird noch heute genutzt, um gekenterte Schiffe wiederaufzurichten und zu bergen, wie zum Beispiel die vor Italien auf Grund gelaufene Costa Concordia.
Die Rapa Nui errichteten zunächst eine Rampe, die bis auf Kopfhöhe der Steinfigur reichte. Dann begann das eigentliche Parbuckling. „Dabei wurde ein Tau um den Pukao-Zylinder gewunden“, erklärt Lipo. „Die Menschen zogen dann vom oberen Ende der Rampe an diesem Tau – das minimierte den Kraftaufwand, der für das Hinaufrollen des Steinhutes nötig war.“ Mit dieser Technik hätten schon relativ wenige Menschen genügt, um diese Aufgabe zu bewältigen.
Erfindungsreich und hochentwickelt
„Unsere Ergebnisse zeigen damit, dass die Rapa Nui bemerkenswert erfindungsreich waren und dass sie Lösungen entwickelten, die möglichst wenige Ressourcen und Anstrengungen erforderten“, betont Lipo. „Auch wenn die Gesellschaft der Rapa Nui nicht unbedingt denen unserer heutigen Zeit ähnelte, war dies bereits ein hochentwickeltes Volk.“ (Journal of Archaeological Science, 23018; doi: 10.1016/j.jas.2018.04.011)
(Binghamton University, 06.06.2018 – NPO)