Sprudelndes Erdgas, ölgetränkte Sedimente und Ablagerungen von schwerem Öl und Asphalt – all das klingt nicht gerade naturnah und lebensfreundlich. Doch am Meeresgrund gibt es unzählige natürliche Öl- und Gasaustritte, an denen es genau so aussieht. Aufnahmen von Tauchrobotern zeigen nun, dass sich an diesen bizarren Habitaten eine facettenreiche und vielfältige Lebenswelt etabliert hat.
Wird Erdöl durch einen Unfall oder eine Explosion im Meer frei, ist dies für die meisten Meeresbewohner eine echte Katastrophe. Das zeigte sich unter anderem nach der Explosion auf der Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Frühjahr 2010. Noch fünf Jahre später waren die Folgen nicht überwunden.
Natürliche Ölquellen am Meeresgrund
Doch es gibt auch Stellen am Meeresgrund, an denen natürlicherweise Erdöl und Erdgas austreten. Was mit diesen Kohlenwasserstoffen geschieht und wie sie die Organismengemeinschaften am Meeresboden beeinflussen, haben nun Heiko Sahling vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und seine Kollegen im südlichen Golf von Mexiko untersucht.
Mit speziellen Echoloten spürten die Forscher dort hunderte von Öl- und Gasaustritten auf und untersuchten sie mit Hilfe des Tauchroboters MARUM-QUEST. „Früher glich das eher der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen“, erklärt Sahling. „Nun haben wir Lebensräume am Meeresboden gefunden, die wir so noch nicht kannten
Leben von Kohlenwasserstoffen
Das überraschende Ergebnis: Die Gas- und Ölaustritte sind keineswegs giftige, öde Todeszonen. Stattdessen hat sich rund um die Kohlenwasserstoffquellen eine ganz eigene Lebenswelt gebildet. Je nachdem, ob Gas, leichtes Öl oder zu Asphalt erstarrtes, schwereres Öl den Grund prägt, beheimaten die Austritte jeweils charakteristische Gruppen von Organismen. Die Basis dieser Nahrungsketten bilden dabei oft Matten aus methanzehrenden Bakterien.
So steigt flüssiges Öl dort meist langsam durch kleine weiße Schlote auf, die Öltropfen ziehen Fäden oder sickern durch die Sedimente. „Das Öl ist für die nicht daran angepassten Organismen schädlich“, erklärt Sahling. „Aber das reiche Leben an diesen Stellen zeigt, dass bestimmte Organismen sogar von diesen Kohlenwasserstoffen leben können.“
Hügel aus Gashydrat
Dort, wo Erdgas in großer Tiefe austritt, wandelt es sich größtenteils in Gashydrat um, eine Verbindung, bei der das Methan in einer Art Käfig aus Eis gefangen wird. „Das Gashydrat bildet kleine Hügel am Meeresboden, die dicht mit metergroßen Bartwürmern besiedelt sind“, berichtet Sahling. „Zuweilen sind die Hügel aufgebrochen und erlauben einen Blick in einige Meter mächtige Gashydrate, wie sie bisher nur selten beobachtet wurden.“
Die Gashydrate werden überlagert von einer Reaktionszone, in der mikrobielle Gemeinschaften das Methan umsetzen, Karbonat ausgefällt wird und die Bartwürmer wurzeln. Dadurch halten sie die Hügel zusammen und nehmen reduzierte Schwefelverbindungen auf, von denen sie sich ernähren. „Es ist schon ein eigenartiger Lebensraum“, findet Sahling.
Asphalt als Lebensraum
An einigen Austrittsstellen quillt auch Asphalt aus dem Meeresboden – es entsteht, wenn sich die meisten Bestandteile des schweren Öls verflüchtigt haben. „Während der Expedition haben wir viele von diesen einmaligen Strukturen dokumentiert“, sagt Heiko Sahling. „Der Asphalt bedeckt dabei hunderte von Metern des Meeresbodens und bildet wieder einen Lebensraum – hier siedeln zum Beispiel Bartwürmer und Bakterienmatten.“
Schon vor rund zehn hatten Expeditionen zu solchen Asphaltvulkanen eine eigene Lebenswelt enthüllt. Neben ganzen Büscheln von Bartwürmern, kommen an solchen Strukturen verschiedene Muschelarten, Krebse, sesshafte Korallen- oder schwammartige Gebilde, Fische und vor allem: gewaltige Mengen an Bakterien vor. (Biogeosciences, 2016; doi: 10.5194/bg-13-4491-2016)
(MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 23.08.2016 – NPO)