Die Ozeane haben einen neuen Hitzerekord erreicht – sie sind wärmer als jemals zuvor gemessen, wie Analysen von Messdaten belegen. Demnach nahmen die Weltmeere im Jahr 2022 noch einmal rund zehn Zettajoule mehr an Wärmeenergie auf als 2021. Damit haben die Ozeane jetzt schon mehrere Jahre in Folge immer neue Hitzerekorde erreicht. Auch die Schichtung und der Salzgehalt werden zusehends extremer: Salzige Meeresgebiete wurden 2022 noch salziger, salzärmere dagegen süßer. All dies beeinflusst nicht nur die Ozeane, sondern auch die globalen Wettermuster.
Die Ozeane sind die wichtigsten Klimapuffer unseres Planeten: Sie nehmen rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme auf, die durch den anthropogenen Klimawandel entsteht. Doch das hat Folgen: Die Ozeane heizen sich auf und haben schon in den vergangenen Jahren immer wieder neue Wärmerekorde geknackt. Zudem häufen sich marine Hitzewellen und die durch Temperatur und Salzgehalt bedingte Schichtung der Ozeane wird rigider und undurchlässiger.
Mehr Wärme als 700 Millionen Wasserkocher auf Dauerkochen
Dieser alarmierende Trend hat sich auch 2022 weiter verschärft, wie Lijing Cheng von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen festgestellt haben. Wie schon in den Vorjahren hatten sie dafür die Messdaten des Jahres 2022 von Satelliten, Messbojen, Schiffen und anderen Quellen ausgewertet und mit Referenzdaten seit 1950 verglichen. Daei erfassten sie vor allem die Temperatur der Ozeane von der Oberfläche bis in 2.000 Meter Tiefe, den Salzgehalt und Indikatoren für die Schichtung.
Das Ergebnis: „2022 ist das wärmste Jahr, das je in den Weltmeeren gemessen wurde“, berichten Cheng und sein Team. „Es zeigt sich eine weiter anhaltende Erwärmung in den letzten Jahrzehnten – egal welche Messmethoden man zugrunde legt.“ Den Daten zufolge nahmen die Ozeane im Jahr 2022 noch einmal neun bis zehn Zettajoule mehr an Wärmeenergie auf als im Rekordjahr 2021. Diese Energiemenge entspricht etwa dem Hundertfachen der globalen jährlichen Stromproduktion und würde ausreichen, um Wasser in 700 Millionen Wasserkochern ein Jahr lang pausenlos am Kochen zu halten.
Aufheizung trotz eigentlich kühlender Umstände
„Diese anhaltende Erwärmung der Ozeane ist besonders bemerkenswert, weil es mehrere Ereignisse gab, die eigentlich einen starken Abkühlungseffekt ausüben müssten“, erkläre die Wissenschaftler. Dazu gehört ein La-Niña-Effekt, der im äquatorialen Pazifik typischerweise für eher kühlere Wassertemperaturen sorgt. Die extremen Waldbrände in Australien im Jahr 2019/2020 verursachten zudem Rauch- und Aerosolschleier, die ebenfalls kühlend wirkten.
Dass sich die Ozeane trotzdem weiter aufgeheizt haben, demonstriert, wie stark sich der Klimawandel auf diesen wichtigen Klimapuffer unseres Planeten auswirkt. Die dämpfende und abkühlende Wirkung der Meere hat jedoch ihren Preis: „Steigende Ozeantemperaturen verstärken den Energieaustausch zwischen Ozean und Atmosphäre, erhöhen die Luftfeuchtigkeit und verändern global die Muster der Niederschläge und Temperaturen“, erkläre Cheng und seine Kollegen.
Neue Rekorde auch in Nordatlantik und Mittelmeer
Die Erwärmung betrifft den Daten zufolge alle Ozeane: In allen sieben Weltmeeren gehörte 2022 zu den zehn wärmsten je gemessenen Jahren. Vier von sieben Weltmeeren haben 2022 neue Rekorde erreicht. Zu den besonders stark aufgeheizten Meeresgebieten gehören der Nordatlantik, der Nord- und Südpazifik und das Mittelmeer. Sie alle haben 2022 noch einmal mehr Wärmeenergie aufgenommen als 2021, wie die Messungen ergaben.
Im Nordatlantik hat diese Erwärmung schon spürbare Folgen auch für die Menschheit: In den letzten Jahren wurden Hurrikans dort häufiger und heftiger. Im Mittelmeer verursacht die zunehmende Aufheizung immer häufigere und länger anhaltende marine Hitzewellen. Im Indischen Ozean haben die Meerestemperaturen 2022 zwar keinen neuen Rekord erreicht, dennoch gehört das Jahr zu den sechs wärmsten dort je dokumentierten, wie die Wissenschaftler berichten. Leidtragende sind dort vor allem die tropischen Korallen.
Kontraste im Salzgehalt werden stärker
Weiter zum Negativen verändert hat sich auch der Salzgehalt der Meere, ein für die Meereszirkulation entscheidender Faktor. Die Messungen enthüllten, dass sich die Kontraste in der Salinität im Jahr 2022 weiter verstärkt haben: „Ein Großteil des Pazifiks und des östlichen Indischen Ozeans, die ohnehin eher relativ salzarm sind, werden zurzeit immer süßer“, berichten Cheng und seine Kollegen. „Im Gegensatz dazu werden relativ salzhaltige Meeresgebiete wie das Mittelmeer, der gemäßigte Atlantik und der westliche Indische Ozean immer salziger.“
Ursache für diese Veränderungen sind die extremer werdenden Wettermuster, die in einigen Meeresgebieten mehr Regen und damit Süßwasser bringen, aber weniger Regen und eine stärkere hitzebedingte Verdunstung in anderen. „Dies bestätigt die Verstärkung des Wasserkreislaufs durch die globale Erwärmung“, erklärt das Team. Wie schon in den Vorjahren stellten sie im Jahr 2022 zudem eine stärker ausgeprägte Schichtung der Ozeane fest.
Folgen auch für uns schon spürbar
Zusammengenommen demonstriert dies, wie stark die Menschheit durch ihre Treibhausgas-Emissionen inzwischen selbst den größten Lebensraum unseres Planeten beeinflusst. Folgen hat dies für viele Meeresbewohner und marine Ökosysteme, aber auch für unser Wetter und Klima an Land. Denn die Veränderungen im Meer wirken sich direkt auf Luftströmungen, Niederschläge und das Sturmgeschehen aus – und fördern auch die Zunahme von Wetterextremen.
Dagegen hilft nur ein effektiver Klimaschutz: „Die Ozeane absorbieren den Großteil der von unseren Kohlenstoffemissionen erzeugten Hitze“, sagt Koautor Michael Mann von der University of Pennsylvania. „Solange wir daher nicht unsere Emissionen auf Netto-Null zurückschrauben, wird sich auch diese Erwärmung fortsetzen und immer neue Rekorde für den Wärmegehalt der Ozeane brechen.“ (Advances in Atmospheric Sciences, 2023; doi: 10.1007/s00376-023-2385-2)
Quelle: Institute of Atmospheric Physics, Chinese Academy of Sciences