Geoengineering im Test: Vor Norwegens Küste beginnt ein Experiment zur Kalkdüngung des Meeres. Dabei soll die Zugabe von basischem Gesteinsmehl das Meerwasser alkalischer machen und so dessen CO2-Aufnahme erhöhen. Das wiederum könnte dazu beitragen, den Klimawandel zu bremsen. Ob dieses Verfahren wirkt und welche Folgen es für die Meeresumwelt haben könnte, testen Forschende nun zunächst in Mesokosmen, im Ozean schwimmenden Testumgebungen.
Inzwischen ist klar, dass die Menschheit den Klimawandel allein mit einer Minderung der CO2-Emissionen nicht mehr stoppen kann. Es müssen auch Maßnahmen zur Entfernung des CO2 aus der Atmosphäre zum Einsatz kommen. Aber welche? Neben der Aufforstung und technischen Lösungen wie der CO2-Abscheidung aus der Luft kommen dafür auch geochemische Methoden in Betracht. So zeigen erste Studien, dass Basaltgesteine und auch die „Düngung“ von Böden mit Gesteinsmehl die CO2-Aufnahme verstärken können.
Diese Verfahren machen sich einen geochemischen Prozess zunutze, der auch bei der natürlichen Gesteinsverwitterung abläuft. Dabei reagieren kalk- und silikathaltige Mineralien mit gelöstem Kohlendioxid zu Karbonaten und binden so den Kohlenstoff fest im Gestein. Dieser wird damit der Atmosphäre längerfristig entzogen und kann so keine Klimawirkung mehr entfalten.
Mesokosmen als naturnahes Testfeld
Ob dieses Prinzip auch im Ozean funktioniert, untersucht nun ein internationales Forschungsteam mit einem großangelegten Experiment vor der Küste Norwegens. „Wir wollen mit unserer Forschung sichere und nachhaltige Lösungen entwickeln helfen, mittels derer sich Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen lässt“, sagt Studienleiter Ulf Riebesell vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. „Dabei ist es besonders wichtig, negative Auswirkungen auf die Meeresumwelt auszuschließen.“
Für solche Tests verwenden die Forschenden sogenannte Mesokosmen – 20 Meter lange und zwei Meter breite Versuchsbehälter, die im Meer schwimmen. Diese „Riesen-Reagenzgläser“ enthalten natürliche Lebensgemeinschaften des Ozeans und sind während der Experimente den realen Umweltbedingungen ausgesetzt. Weil der Wasseraustausch mit dem umgebenden Ozean aber verhindert wird, können die Wasserbedingungen in den Mesokosmen kontrolliert verändert werden, ohne dass die Meeresumwelt leidet.
Löschkalk und Magnesiumsilikat als „Dünger“
Im aktuellen Experiment „düngen“ die Forschenden das Wasser in den südlich der norwegischen Stadt Bergen im Meer verankerten Mesokosmen mit verschiedenen basischen Gesteinsmehlen wie gemahlenem Löschkalk (Calciumhydroxid) oder Magnesiumsilikat. Diese senken den pH-Wert des Wassers und wirken damit nicht nur der Ozeanversauerung entgegen, sondern sollen auch die CO2-Aufnahmefähigkeit des Wassers erhöhen.
Anders als bei früheren Experimenten mit Eisen als Meeresdünger findet die CO2-Bindung durch die basischen Gesteinsmehle aber geochemisch statt, nicht durch das Wachstum von Algen. Ob die Methode funktioniert und wie sich diese Gesteinsdüngung auf die marinen Lebensgemeinschaften auswirkt, wird das Forschungsteam über acht Wochen hinweg regelmäßig untersuchen. Das Experiment soll klären, wie effektiv zusätzliches CO2 gebunden wird, welche der beiden Substanzen bessere Ergebnisse erzielt und vor allem, welche möglichen Nebenwirkungen diese Ozean-Alkalinisierung haben könnten.
Grundlage für mögliche Geoengineering-Maßnahmen
„Die Ergebnisse der Studie in Norwegen und eines vergleichbaren Experiments, das im Herbst 2021 auf Gran Canaria durchgeführt wurde, fließen in eine übergreifende Bewertung verschiedener ozean-basierter Maßnahmen zur aktiven CO2-Entnahme ein“, erklärt David Keller vom GEOMAR und Koordinator des übergeordneten Projekts OceanNETs. „Unsere Ergebnisse und Bewertungen sollen dazu beitragen, eine Entscheidungsgrundlage für den möglichen Einsatz von Maßnahmen zur aktiven CO2-Entfernung zu liefern.“
Ob und welche Maßnahmen letztlich zum Einsatz kommen, muss dann anhand der Ergebnisse der Experimente, aber auch unter Abwägung zusätzlicher wirtschaftlicher, rechtlicher und sozialer Aspekte erwogen werden.
Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel