Die Erwärmung der Erde nach der letzten Eiszeit hat nicht nur die Meeresströmungen verändert, sie hat auch einen gewaltigen Kohlendioxid-„Rülpser“ provoziert: Eine in „Science“ erschienene Studie weist jetzt erstmals nach, dass die wärmebedingten Veränderungen zu der Freisetzung großer Mengen CO2 aus der Tiefsee in die Atmosphäre geführt haben.
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Die Ozeane der Erde spielen eine entscheidende Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, von dem das in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid nur einen Ausschnitt darstellt. 40 Billionen metrischen Tonne – 15 Mal mehr als in Atmosphäre, Boden und Süßwasser zusammen – ist im Wasser der Weltmeere gespeichert. Wie dieses gewaltige Reservoir jedoch mit der Atmosphäre interagiert, ist bislang nur in Teilen bekannt und wird seit Jahren intensiv erforscht und diskutiert.
Hinweis auf „altes“ Kohlendioxid
Eine neue Studie von Forschern der Universität von Colorado, der Kent State University und der Columbia University hat nun erstmals belegt, was viele Wissenschaftler bereits vermuteten, aber nicht belegen konnten: Dass der CO2 Austausch zwischen Meer und Luft nicht nur langsam, sondern auch abrupt und in großen Mengen erfolgen kann. Die entscheidenden Hinweise entdeckten die Forscher in einem Bohrkern aus dem Meeresboden der Baja California vor der Küste Mexikos.
Die Bohrkerne enthielten die Kalkschalen von fossilen, am Meersgrund lebenden Einzellern, den Foraminiferen. Sie nehmen gelöstes Kohlendioxid aus dem umgebenden Wasser auf und bauen den darin enthaltenen Kohlenstoff in ihre Schalen ein. Als die Wissenschaftler diese Schalen mithilfe der C-14 Methode datierten, fielen ihnen zwei deutliche Abweichungen auf: In diesen Zeitabschnitten, beginnend jeweils vor 18.000 und vor 13.000 Jahren, ergaben die Isotopenwerte für den Kohlenstoff in den Schalen ein sehr viel höheres Alter als für die Foraminiferen in Frage kam.
„Rülpser“ vor der antarktischen Küste
Für die Forscher war klar: Die Einzeller mussten in diesen Perioden Kohlendioxid aufgenommen und umgewandelt haben, dass nicht „zeitgenössisch“ war, sondern aus einer älteren, lange Zeit von der Atmosphäre isolierten Quelle stammen musste. Dafür jedoch kam nur eine Quelle in Frage: eine plötzliche Freisetzung von Kohlendioxid aus der Tiefsee. Im Pazifik allerdings sind solche „Rülpser“ eher unwahrscheinlich.
Die Wissenschaftler vermuten daher, dass dies im Meeresgebiet vor der Antarktis geschah. Hierbei wurde ein Großteil des Gases direkt in die Atmosphäre entlassen, ein Teil des CO2-angereicherten Wasser gelangte jedoch durch Meeresströmungen auch in nördlichere Meeresgebiete. Das Aufströmen und die Freisetzung des Kohlendioxids stimmt zeitlich gut überein mit einem Anstieg des atmosphärischen CO2-Gehalts von 190 ppm (parts per million) während der Eiszeit bis auf 270 ppm in der folgenden Warmphase.
„Wir können daraus die Lehre ziehen, dass abrupte Veränderungen der Ozeanzirkulation in der Vergangenheit die Fähigkeit des Meeres beeinträchtig haben, Kohlendioxid aus der Atmosphäre fernzuhalten“, erklärt Thomas Marchitto, Geologe der Universität von Colorado und Koautor der Studie. „Das könnte uns dabei helfen zu verstehen, wie diese Fähigkeit durch die zukünftige Erwärmung beeinflusst werden könnte.“
Eisschmelze als Ursache
Was damals die plötzliche Freisetzung des Kohlendioxids aus der Tiefe verursacht hat, ist bisher unklar. Viele Forscher vermuten jedoch, dass die massive Erwärmung nach der Eiszeit große Teile der Eisdecke der Nordhalbkugel schmelzen ließ. Dies wiederum brachte die Atlantische Zirkulation zum Erliegen und damit auch das globale „Förderband“ der Meeresströmungen. Dadurch erwärmten sich die antarktischen Gewässer, das Meereis schmolz und ermöglichte das plötzliche Aufsteigen von Kohlendioxid aus der Tiefe.
“Nachdem das CO2 einmal aufstieg, beschleunigte es den Erwärmungsprozess noch, wie stark, können wir allerdings nicht sagen“, erklärt Robert Anderson, ebenfalls Mitarbeiter der Studie. „Es gibt auch noch immer große Unsicherheiten darüber, wie die Ozeane auf die aktuelle Erwärmung reagieren werden.“ Seiner Ansicht nach könnte die Studie eine Art „Weckruf“ für die Wissenschaftlergemeinschaft sein, sich zukünftig noch intensiver mit dem Einfluss der Ozeane auf den Klimawandel zu beschäftigen.
(The Earth Institute at Columbia University, 18.05.2007 – NPO)