Atemnot in der Tiefsee: Der Sauerstoffschwund der Meere hat gerade erst begonnen. Selbst wenn wir sofort alle Treibhausgas-Emissionen stoppen, wird er sich noch über Jahrhunderte fortsetzen, wie Klimamodelle belegen. Grund dafür ist die verzögerte Reaktionszeit der tiefen Ozeanschichten: Sie haben bisher erst auf rund ein Viertel der historischen Emissionen reagiert, drei Viertel stehen demnach noch aus, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Der Klimawandel trifft die Ozeane gleich in mehrfacher Hinsicht. Er macht das Wasser wärmer, saurer und verstärkt die Schichtung der Wassermassen. Letzteres hemmt den Gas- und Stoffaustausch mit der Atmosphäre und rührt dazu, dass immer mehr Meeresgebiete unter Sauerstoffmangel leiden. Neben regionalen „Todeszonen“ wie beispielsweise am Grund der Ostsee oder des Schwarzen Meeres, hat dies bereits eine globale Abnahme des Ozean-Sauerstoffgehalts um rund zwei Prozent verursacht.
Was wäre wenn – alle Emissionen jetzt stoppten?
Wie dieser Trend weitergehen könnte, hat nun Andreas Oschlies vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel mithilfe eines Klima-Ozeanmodells näher untersucht. Konkret bildete er dafür die jüngste Entwicklung von CO2-Emissionen, Temperaturen und Ozeanparametern in einer Simulation nach. Wie in der Realität ging er für das Jahr 2020 von einem atmosphärischen CO2-Wert von 411 ppm aus und einer Erwärmung von 1,03 Grad gegenüber den präindustriellen Werten.
Dann folgte der nächste Schritt: Der Forscher stoppte in der Simulation alle Emissionen im Jahr 2020 und schraubte den Ausstoß von Treibhausgasen auf Null zurück, ließ die Simulation aber bis zum Jahr 2650 weiterlaufen. Dadurch konnte er mitverfolgen, wie sich Meer und Klima unter diesen Bedingungen in den folgenden Jahrhunderten weiterentwickelt. Dieser Ansatz macht dadurch sichtbar, mit welchem zeitlichen Nachlauf die Ozeane reagieren.
Drei Viertel des Sauerstoffverlusts kommen noch
Das Ergebnis: Selbst bei sofortigem Stopp aller Emissionen verschlechtert sich die Durchlüftung der Ozeane weiter. „Die Ergebnisse zeigen, dass sich sogar in diesem Extremszenario die Sauerstoffabnahme über Jahrhunderte fortsetzt und sich der bis heute realisierte Sauerstoffverlust des Ozeans mehr als vervierfacht“, berichtet Oschlies. Das volle Ausmaß des bisher angestoßenen Sauerstoffschwunds wird demnach erst im Jahr 2065 mit einem Verlust von fast zehn Prozent erreicht sein.
Der Grund ist die extrem verzögerte Reaktion der Ozeane auf die Erwärmung und die erhöhten CO2-Werte: „Bisher ist erst weniger als ein Viertel des Sauerstoffschwunds eingetreten, der durch die vergangenen Emissionen angestoßen wurde“, erklärt Oschlies. Die restlichen drei Viertel dieses Verlusts stehen noch bevor, sind aber bereits irreversibel – von den historischen Veränderungen quasi vorprogrammiert.
Tiefsee reagiert besonders langsam
Besonders langsam, aber ausgeprägt reagiert dabei die Tiefsee: „Rund 80 Prozent des schon feststehenden Sauerstoffverlusts ereignen sich unterhalb von 2.000 Meter Tiefe“, erklärt der Forscher. Denn in diesen tiefen Ozeanschichten ist der Wasseraustausch von Natur aus gering und diese Stabilität wird durch die sich verstärkende Wasserschichtung noch gefördert. Als Folge wird es vor allem in den Tiefen des Pazifik und des Südozeans zu deutlichem Sauerstoffmangel kommen – mit potenziell erheblichen Auswirkungen auf die Fauna der Tiefsee.
In den oberen Schichten des Ozeans zeigt die Simulation dagegen eine deutlich raschere Reaktion. Dort kann durch einen Stopp der Emissionen die Ausweitung der oberflächennahen Sauerstoffminimumzonen innerhalb weniger Jahre gestoppt werden. Nach Ansicht des Wissenschaftler könnte eine ambitionierte Klimapolitik demnach dazu beitragen, zumindest die oberflächennahen Ökosysteme nicht noch weiter durch eine fortschreitende Sauerstoffabnahme unter Druck zu setzen. (Nature Communications, 2021; doi: 10.1038/s41467-021-22584-4)
Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel