Bisher war es ein Rätsel, wohin ein Großteil des bodennahen Ozons über den tropischen Meeren verschwindet. Jetzt haben Forscher den bisher fehlenden Akteur in diesem System entdeckt: Der Ozean produziert eine anorganische Iodsäure, die für bis zu 75 Prozent des Ozonabbaus über dem Meer verantwortlich ist, wie sie im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Damit habe man eine bisher unbekannte negative Rückkopplung für den „Sommersmog“ entdeckt.
Ozon ist in großer Höhe für uns überlebenswichtig, denn dort wirkt die Ozonschicht als Filter gegen die UV-Strahlung. In Bodennähe aber ist Ozon eher ein Schadstoff, denn die Sauerstoffverbindung ist gesundheitsschädlich und löst auch Schäden bei Pflanzen aus. Dieses troposphärische Ozon entsteht, wenn die Sonne Vorläufersubstanzen wie Stickstoffoxide und Kohlenwasserstoffe aufspaltet und diese dann mit Sauerstoff reagieren. Dass selbst dieser Sommersmog irgendwann wieder abgebaut wird, verdanken wir vor allem winzigen Meeresalgen, dem Phytoplankton. Diese produzieren organische Iodverbindungen, darunter vor allem Methyliodid, dessen gasförmige Derivate in die Atmosphäre aufsteigen und dort das Ozon zerstören.
Ozonabbau im Laborformat
„Die Algen und ihre organischen Iodverbindungen können aber allein nicht erklären, woher die vielen gasförmigen Iodverbindungen in der Luft über den tropischen Meeren kommen“, sagen Lucy Carpenter von der University of York und ihre Kollegen. In einer Reihe von Laborexperimenten haben sie daher untersucht, welche Prozesse im Ozeanwasser noch das gasförmige Iod erzeugen könnten. Dafür versetzten sie Meerwasserproben mit Iod und leiteten Ozon darüber. Über verschiedene Nachweisverfahren analysierten sie, welche Iodverbindungen im Wasser, in der Luft und i der Grenzschicht Wasser-Luft entstanden.
In den Versuchen zeigte sich, dass neben molekularem Iod auch hypoiodige Säure (HOI) entstand – eine Verbindung aus Wasserstoff, Iod und Sauerstoff. Diese hochreaktive Säure bildet sich in der Grenzschicht zwischen Wasser und der ozonhaltigen Luft. „Einmal in der Atmosphäre, zersetzen sich die Säure und das molekulare Iod unter Einfluss des Sonnenlichts in einzelne Iod-Atome“, erklären die Forscher. „Diese reagieren mit dem Ozon zu Iod-Monoxid (IO), einem hochreaktiven Radikal.“ Dieses kann mit einem weiteren Ozonmolekül reagieren und so die Kette fortsetzen.
Zuvor unbekannte negative Rückkopplung
In Modellen der Ozeanchemie ermittelten die Forscher, dass die Meeresoberfläche zehn Mal mehr hypoiodige Säure freisetzt als molekulares Iod. Die dadurch ausgelösten Reaktionen reichen ihren Berechnungen nach aus, um 75 Prozent des über den Meeren gemessenen Iodoxids zu erzeugen – und damit einen Großteil des bodennahen Ozons dort abzubauen. Besonders intensiv laufe die Produktion von hypoiodiger Säure in warmem Wasser ab, sagen die Forscher. Das erkläre, warum der Ozonabbau über den tropischen Meeren aktiver sei.
„Dieser Fund enthüllt zudem eine wichtige negative Rückkopplung für das Ozon – eine Art Selbstzerstörungs-Mechanismus“, erklärt Carpenter. Je mehr Ozon in der Atmosphäre vorhanden sei, desto mehr dieser gasförmigen Halogenverbindung entstehe an der Grenze von Meer und Luft und zerstöre dann das Ozon. (NAture Geoscience, 2013; doi:10.1038/NGEO1687)
(University of York, Nature Geoscience, 14.01.2013 – NPO)