Annahme widerlegt: Die großen Ozeanplatten sind offenbar weniger stabil und unverändert, als es das gängige Bild der Plattentektonik vorsieht. Statt nur am Rand können Schwächezonen und Deformationen auch mitten in diesen Erdplatten auftreten, wie Geologen entdeckt haben. Indiz dafür sind Dehnungsrisse und Verwerfungen in vier Unterseeplateaus, die fernab der Plattengrenzen im Pazifik liegen. Sie belegen, dass auch die Ozeanplatten keine monolithischen Einheiten sind.
Nach dem gängigen Modell der Plattentektonik driften die festen Erdplatten wie Eisschollen auf dem heißen, zähflüssigen Erdmantel. Dabei bleibt das Innere der Erdplatten weitgehend stabil, während an den Rändern Krustenmaterial in die Tiefe gezogen wird, neu entsteht oder sich durch Kollisionen zu Gebirgen auftürmt. Bei Kontinentplatten haben Geologen jedoch einige Ausnahmen entdeckt. So können vulkanische Hotspots, alte Nahtstellen oder unter die Platte geschobene Krustenreste manchmal auch innerhalb der Erdplatten zu Erdbeben, Vulkanen und anderen Phänomen führen.
„Die Ozeanplatten galten aber bisher als wenig anfällig für eine solche Intraplatten-Deformation“, erklären Erkan Gün von der University of Toronto und seine Kollegen.
Vier pazifische Basaltplateaus im Visier
Doch das stimmt nicht, wie das Team nun entdeckt hat. Ausgangspunkt dafür waren geologische Beobachtungen an vier unterseeischen Plateaus im Pazifik. Diese Hochebenen am Meeresgrund wurden vor Millionen Jahren durch die vulkanische Aktivität von Mantelplumes oder alten mittelozeanischen Rücken gebildet. Sie bestehen daher noch heute aus dicken Basaltschichten. „Man dachte bisher, dass diese subozeanischen Plateaus stabiler sein müssten, weil sie dicker sind“, erklärt Gün.
Aber ist das wirklich so? Um das herauszufinden, haben die Geologen vier solcher Plateaus im westlichen Pazifik näher untersucht – den Shatsky- und den Hess-Rücken, sowie das Ontong-Java- und das Manihiki-Plateau. Dabei zeigte sich: Obwohl diese Basaltplateaus eigentlich besonders stabil sein sollten, sind alle vier von mehrere tiefen Verwerfungen und Gräben durchzogen. „Alle vier Plateaus weisen deformatorische und magmatische Merkmale auf, die auf eine substanzielle Dehnungstektonik hindeuten“, so das Team.
Woher kommen die Dehnungsschäden?
Das Überraschende daran: Nach gängiger Annahme dürften solche Dehnungsrisse in ozeanischen Erdplatten nur in unmittelbarer Nähe von Subduktionszonen auftreten – dort, wo die Krustenplatte schon nach unten abknickt und daher brechen kann. Doch die vier Untersee-Plateaus liegen zwischen 750 und 1.500 Kilometer von der nächsten Subduktionszone entfernt, wie die Geologen berichten. Dennoch zeugen die Gräben und Verwerfungen davon, dass diese vermeintlich besonders stabilen Plateaus ungewöhnlich starken Dehnungskräften ausgesetzt sind.
Wie aber ist dies zu erklären? Um dem nachzugehen, führten Gün und sein Team ergänzende Modelsimulationen durch, in denen sie die Entwicklung der vier Ozeanplateaus nachvollzogen. Das Ergebnis: „Unsere Modelle sowie seismische Daten enthüllen, dass das Gegenteil der gängigen Annahme stimmt: Die Plateaus sind schwächer als die umliegende Ozeanplatte.“ Schon lange vor ihrer Ankunft an den Subduktionszonen sind diese Plateaus dadurch anfällig für Dehnungsschäden.
Ursache dieser Dehnungsschäden ist dabei die enorme Zugkraft der am westlichen Pazifikrand liegenden Subduktionszonen. Sie zerren so stark an der Pazifischen Platte, dass selbst in ihrem Zentrum, weitab der Plattengrenze, die Kruste der besonders anfälligen Ozeanplateaus aufreißt.
Intraplattentektonik auch in Ozeanplatten
Nach Ansicht von Gün und seinem Team bestätigen diese Resultate, dass es auch in den vermeintlich starren, stabilen Ozeanplatten eine Intraplattentektonik gibt – anders als lange angenommen. „Diese Platten sind nicht so unversehrt, wie wir bisher gedacht haben“, sagt Gün. Bei Kontinentalplatten sei schon bekannt gewesen, dass es auch fernab der Plattengrenzen Deformationen geben könne. „Aber wir wussten nicht, dass das gleiche auch bei Ozeanplatten passiert.“
„Dies definiert die Plattentektonik neu“, sagt Güns Kollege Russell Pysklywec. „Dies zeigt, dass es selbst über die grundlegende Funktionsweise unseres Planeten noch immer einiges Neues zu erfahren gibt.“ Gleichzeitig könnte die Entdeckung dieser ozeanischen Intraplatten-Schwächezonen auch dazu beitragen, einige vulkanische und seismische Phänomene am Meeresgrund zu klären. (Geophysical Research Letters, 2024; doi: 10.1029/2023GL105452)
Quelle: University of Toronto