Unerkannter Ozonkiller: Warum verliert der untere Teil der Ozonschicht noch immer Ozon? Eine Antwort darauf könnten Forscher nun gefunden haben. Schuld ist demnach Iod, das vermehrt aus bodennahen Schichten bis in die Stratosphäre gelangt. Die Quelle für diesen potenten Ozonkiller ist paradoxerweise der Anstieg des bodennahen Ozons durch die Luftverschmutzung. Denn dies bringt auch vermehrt Iod in die Atmosphäre, wie die Forscher berichten.
Seit dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) durch das Montreal -Protokoll erholt sich die Ozonschicht unseres Planeten – aber nicht überall: „In der oberen Stratosphäre zeigt die Ozonschicht zwar Anzeichen für eine Regeneration, aber das Ozon in der unteren Stratosphäre nimmt aus unerklärlichen Gründen weiter ab“, berichtet Rainer Volkamer von der University of Colorado in Boulder. Eine mögliche Ursache könnte der illegale Ausstoß verbotener FCKWs wie Tetrachlormethan und Trichlorfluormethan sein, die in den letzten Jahren vor allem über China registriert wurden.
Iod im Verdacht
Doch es gibt noch eine andere Erklärung, wie nun Volkamer und sein Team berichten. Sie haben untersucht, ob das Halogen Iod möglicherweise der Grund für den Abbau von Ozon in der unteren Stratosphäre sein könnte. „Schätzungen zufolge hat Iod ein 600 Mal stärkeres Zerstörungspotenzial für Ozon in der unteren Stratosphäre als Chlor“, erklären sie. Beide Halogene wirken als Katalysatoren, die bei Kälte und unter dem Einfluss von Sonnenlicht ozonabbauende Reaktionen fördern.
Bisher allerdings war weitgehend unklar, wie viel Iod aus niedrigen Atmosphärenschichten bis in die Ozonschicht gelangt. „Wir wussten, dass es dort Iod geben muss, aber wir konnten es nicht genauer bestimmen – die Messinstrumente waren nicht präzise genug“, erklärt Erstautor Theodore Koenig von der University of Colorado. Das aber hat sich inzwischen geändert. Koenig und seine Kollegen haben bei mehreren Messflügen den Iodgehalt der unteren Stratosphäre mithilfe einer speziellen optischen Absorptions-Spektrometrie näher bestimmt.
Einstrom gering, aber ausreichend
Das Ergebnis: Tatsächlich strömt vermehrt Iod in die untere Stratosphäre. Den Messungen zufolge liegt dort der Iodanteil bei rund 0,77 Billionsteln – eine auf den ersten Blick extrem geringe Menge. Vergleichbar ist sie mit ein paar Flaschen Wasser verteilt im gesamtem jährlichen Wasserzufluss des Bodensees. Doch wegen der potenten ozonabbauenden Wirkung des Iods reicht schon diese Menge aus, um einen messbaren Effekt auf das stratosphärische Ozon zu haben, wie die Forscher ermittelten.
„Das Spannende daran ist, dass diese vom Iod verursachten Veränderungen der Ozonwerte gerade hoch genug sind, um plausibel zu erklären, warum sich das Ozon in der unteren Stratosphäre nicht erholt“, sagt Volkamer. Demnach reicht die abbauende Wirkung des Iods für 1,5 bis zwei Prozent weniger Ozon. Dieser Effekt sei damit immerhin vier bis fünf Mal größer als der aller kurzlebigen Brom- und Chlorverbindungen in den letzten 20 Jahren.
Bodennahes Ozon als Iod-Transporter
Doch woher kommt das Iod? Und wie gelangt es in die Stratosphäre? Paradoxerweise könnte dafür die Zunahme des Ozons an einer ganz anderen Stelle eine Rolle spielen – in Bodennähe. Bodennahes Ozon entsteht, wenn Luftschadstoffe bei Sonnenlicht mit dem Luftsauerstoff reagieren. Gelangt nun dieses Ozon über das Meer, reagiert es mit dem Meerwasser und kann das darin gelöste Iod in die Atmosphäre transportieren, wie Koenig und sein Team erklären.
„Die anthropogene Luftverschmutzung mit Ozon hat die Iod-Emissionen seit 1950 um das Dreifache erhöht“, berichten die Forscher. Durch Luftströmungen gelangt dieses Iod dann auch in die untere Stratosphäre – und trägt dort zum Abbau der Ozonschicht bei. Die Luftverschmutzung in Bodennähe hat demnach eine durchaus messbare Wirkung auch auf die Ozonschicht hoch über unseren Köpfen.
„Das mindert nicht die Erfolgsgeschichte des Montreal-Protokolls, aber es ist dennoch wichtig“, betont Koenig. Denn das stratosphärische Ozon schützt uns nicht nur vor der UV-Strahlung der Sonne, die Ozonschicht spielt auch im Klimasystem der Erde eine Rolle. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020; doi: 10.1073/pnas.1916828117)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences