Am Montag fliegen Eichen- und Rotbuchenpollen wieder in mäßiger bis starker Konzentration. Die aktuelle Pollenflugvorhersage ist Pflichtprogramm für Heuschnupfengeplagte. Paläobotaniker hingegen beschäftigen sich damit, wie viel Pollen in vergangenen Zeiten durch die Luft schwebte. Der Bonner Uni-Professor am Institut für Paläontologie Thomas Litt z.B. untersucht fossilen Blütenstaub, der sich im Laufe der Zeit u.a. in Seesedimenten angesammelt hat.
Das "Who is Who" des Pollen
"Es gibt große Unterschiede zwischen verschiedenen Arten: Über das Aussehen können wir zuverlässig die Gattung, mitunter sogar die Art bestimmen, von der Pollen stammt.", erklärt der Wissenschaftler. Dies geschieht an einem speziellen Lasermikroskop, dass eine dreidimensionale Darstellung der Winzlinge ermöglicht. "Ein Kubikzentimeter Seesediment enthält bis zu 100.000 Pollenkörner. Wir können also nicht nur sagen, welche Arten zu einer bestimmten Zeit gewachsen sind, sondern auch in welchem zahlenmäßigen Verhältnis. Damit können wir detaillierte Aussagen sowohl über die Vegetationsgeschichte als auch über das vergangene Klima machen." Denn wenn sich Temperatur und Niederschlag langfristig verändern, wachsen andere Pflanzen. Die Evolution verläuft sehr langsam. Daher können die Forscher davon ausgehen, dass die Gehölzpflanzen ihre Ansprüche in den letzten paar 100.000 Jahren nur sehr wenig verändert haben. Eine wichtige Voraussetzung für die Klimaforschung.
Jahr um Jahr: Schicht auf Schicht
Die Sedimente in den Maarseen der Eifel sind der Traum eines jeden Klimaforschers. "Sie liefern uns ein nahezu lückenloses Archiv der letzten 15.000 Jahre mit jährlicher Auflösung.", begeistert sich Litt. Jedes Jahr hat sich eine neue Schicht abgelagert. Die in Sommer und Winter gebildeten Lagen sind unterschiedlich gefärbt. So lassen sich, wie bei Bäumen, auch in Seesedimenten, "Jahresringe" unterscheiden, so genannte Warven. Da die Maarseen sehr tief sind, fehlt am Grund meist der Sauerstoff für im Boden wühlende Tiere. Dadurch bleiben die Jahreslagen größtenteils ungestört erhalten. Litt führt aus: "Wir können anhand dieser Daten nicht nur sagen, wann das Klima schwankte, sondern auch wie schnell die Pflanzen darauf reagiert haben."
Blick zurück für die Zukunft
Das besondere Augenmerk seiner Arbeitsgruppe liegt zurzeit auf der Eem-Warmzeit, die vor 126.000 Jahren begann. Sie dauerte nur ca. 11.000 Jahre und kann uns Kenntnisse darüber vermitteln, wie der Verlauf und das Ende einer Warmzeit aussehen, die vom Menschen weitgehend unbeeinflusst ist. Dazu untersuchen die Forscher die Pollenkörner aus fossilen Seesedimenten, die beim Tagebau wieder ans Licht kommen. Außerdem versuchen sie zusammen mit Bonner Meteorologen die paläobotanischen Daten in möglichst exakte Temperaturwerte zu übersetzen. Ein ehrgeiziges Unterfangen. "Das geht natürlich nur mit Hilfe von einer Menge Rechnerunterstützung. Aber im Endeffekt können wir die Temperaturverteilung und -veränderung der Zeit zwischen den letzten Eiszeiten recht gut rekonstruieren." Genau diese Daten brauchen Klimatologen, um Modelle zu entwerfen, mit denen sie Aussagen über die mögliche Zukunft unseres Klimas machen können.
(Paläontologische Gesellschaft, 22.05.2003 – Kirsten Achenbach/ DFG-Forschungszentrum Ozeanränder Bremen (RCOM))